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Belsazars Ende

Titel: Belsazars Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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das, was sie taten, selbstverständlich, ein Akt der Nächstenliebe. Was sollte man hinterher darüber reden?«
    »Und van Velden?«
    »Eben: van Velden! In meinen Augen eine widerwärtige Geschichte! Es gab andere, die dasselbe getan haben wie Antonius van Velden: Juden außer Landes gebracht. Von mindestens zweien weiß ich; deren Namen kennt heute kein Mensch. Weil sie sich das nicht wie einen Orden an die Brust geheftet haben. Aber soweit ich das recherchieren konnte, ist es auch nicht van Velden selbst gewesen. Er ist ja bei der Zerstörung Kleves 44 ums Leben gekommen. Es war wohl seine Witwe, die sehr schnell erkannte, daß ein Märtyrer als Gatte eine wunderbare Publicitywirkung hatte. Sie war Künstlerin und mußte sich und ihren Sohn durchbringen. 1949 hat sie sich schon ein Atelier eingerichtet. Ich bin sicher, diese ganze aufgeblähte Widerstandsgeschichte hat ihr eine Menge Kunden eingebracht. Als ich mit meinen Recherchen anfing, lebte sie schon nicht mehr, und ich konnte ihr keine Fragen stellen. Und der Sohn war so beschäftigt, daß er keine Zeit hatte, an einer Schülerarbeit mitzuwirken, vielleicht auch kein Interesse.
    Es gibt Ungereimtheiten bei diesem Antonius van Velden. In die Ebsteinvilla auf der Tiergartenstraße ist er im Februar 1940 eingezogen. Es existieren keinerlei Unterlagen über den Erwerb, aber gut, das will nichts besagen; es ist vieles weggekommen, verbrannt. Die Villa gehörte dem jüdischen Viehhändler Siegfried Ebstein, der im Dezember 1939 plötzlich verschwand. Vermutlich über die grüne Grenze, vermutlich mit van Veldens Hilfe. Das alles war kurz bevor die Nazis das restliche jüdische Vermögen, Grundbesitz und Immobilien, beschlagnahmten, in einer Zeit, wo ein Hauskauf quasi nicht mehr möglich war. Und da macht man sich schon so seine Gedanken. Und überhaupt: van Velden und Geld? Woher? Ein kleiner Angestellter bei der Gemeinde, im Krieg dann Lastwagenfahrer! Im Februar 1941 wurde er allerdings verhaftet, weil man ihm vorwarf, ein Judenfreund zu sein, was sich unter anderem auch darauf stützte, daß er Eigentümer eines jüdischen Hauses geworden war. Doch, wie auch immer, nach vierzehn Tagen Schutzhaft war er schon wieder auf freiem Fuß. Ich habe nicht herausgefunden, warum. Man munkelte etwas von einflußreichen Freunden bei der Gemeindeverwaltung. Aber wenn das stimmt, liegt die Vermutung nahe, daß auch da Geld im Spiel gewesen sein muß.«
    In Toppes Kopf fügten sich ganz langsam die ersten Puzzleteilchen zusammen, und er besann sich auf den ursprünglichen Grund seines Besuches. Er rollte den Lageplan auseinander und legte ihn vor Schmitt auf den Tisch.
    »Das haben wir in van Veldens Atelier in einem verschlossenen Schrank gefunden. Hier!« Er zeigte auf die Adresse. »Deswegen bin ich überhaupt auf Rosenberg gestoßen, deswegen interessiert mich die alte Geschichte. Bis jetzt konnte mir noch kein Mensch sagen, was das hier für ein Grundriß ist.«
    Wilhelm Schmitts Blick glitt über das Papier und ein zufriedenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. »So hat er es also gemacht!«
    Dann schaute er Toppe an.
    »Sehen Sie, van Velden hat angeblich über vierzig Juden aus der Stadt über die Grenze gebracht. Mir war immer klar, daß er irgendwo einen Sammelplatz gehabt haben muß. Er konnte unmöglich an die dreißig Fahrten zur Grenze gemacht haben, ohne daß es aufgefallen wäre. Er mußte die Menschen zu einem sicheren Ort bringen, jeden Tag ein oder zwei, bis er genügend beisammen hatte und der Zeitpunkt günstig war. Hier also! Ein guter Platz! Das ist eine Skizze der Gewölbe unten am Springenberg, an der Quelle.«
    Toppe verstand nicht.
    »Kleve war doch mal ein Kurort, Bad Cleve«, erklärte Schmitt geduldig. »Die Mineralquelle – sie wirkte übrigens, historischen Aufzeichnungen zufolge, hervorragend gegen Blödigkeit des Gesichts – hat ein gewisser Dr. Schürte Anfang des 18. Jahrhunderts am Springenberg entdeckt. Sie wissen, wo das ist; oben am Amphitheater.«
    Bei Toppe fielen ganze Kaskaden von Groschen.
    »Er hat eine Reihe von Stollen tief in den Berg graben lassen, um an die Quelle heranzukommen, und das hier ist eindeutig eine Skizze dieser Stollen. Ich kenne sie gut. Dieser erste Gang hier war noch für meine Kinder ein beliebter Abenteuerspielplatz, bis man ihn dann, wie den Rest vorher, in den Sechziger Jahren wegen Einsturzgefahr zugeschüttet hat.«
    Er runzelte die Stirn. »Diese Zeichnung scheint mir aber ganz neu zu

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