Belsazars Ende
Toppe.
»Touché«, grinste Breitenegger, »dann eben ein anderes Mädchen, andere Eltern, ein empörter Freund, ein Bruder. Die Parties sind ja weitergegangen. Es hat neue Nadines gegeben.« Er kratzte seine Pfeife aus. »Es könnte auf keinen Fall schaden, mit Nadine Berger selbst zu sprechen.«
»Ja, genau«, lachte van Appeldorn, »ich stelle einen Antrag auf eine Dienstreise nach Garmisch-Partenkirchen. Ich freu’ mich schon auf Stasis Gesicht.«
Astrid verteilte den Kaffee auf die vier Becher. »Ich kann das einfach nicht kapieren. Wieso machen die Eltern das mit?«
»Man müßte mal deren Finanzlage überpüfen«, überlegte Toppe.
Astrid erstarrte. »Du meinst, die verkaufen ihre Kinder!«
»Meine Güte«, stöhnte van Appeldorn, »werden Sie jetzt bloß nicht auch noch melodramatisch! Lesen Sie eigentlich keine Zeitung? So was passiert doch jeden Tag. Was nicht heißt, daß ich das gut finde..«
Astrid drehte sich langsam um und sah ihm ins Gesicht.
»Es reicht«, sagte sie ziemlich ruhig. »Wissen Sie was? Ich habe es satt, mich ständig von Ihnen in dieser Weise anmachen zu lassen. Ich hab’ keine Ahnung, warum Sie das tun; vielleicht gibt Ihnen das persönliche Befriedigung, aber das interessiert mich gar nicht.« Sie blickte Breitenegger und Toppe an. »Ich weiß, ich mache Fehler, aber das ist kein Wunder, schließlich bin ich noch nicht so lange in diesem Beruf wie ihr alle. Aber ich bemühe mich und bin bereit zu lernen. Ich weiß durchaus, was so jeden Tag passiert, schließlich habe ich während meiner Ausbildung ein Jahr lang bei der Sitte in Köln gearbeitet.«
Van Appeldorn sah demonstrativ zur Decke, aber Astrid ließ sich nicht irritieren.
»Ich habe trotzdem Gefühle, und ich werde den Teufel tun, die zu verstecken oder gar zu begraben, nur um einen möglichst abgezockten, professionellen Eindruck zu machen. Ganz im Gegenteil: ich werde sie mir erhalten, so lange es geht.« Jetzt wurde sie doch lauter. »Und es tut mir leid für Sie, Herr van Appeldorn, ich werde meine Meinung und meine Gefühle sogar laut aussprechen. Ich werde mich aufregen. Und wenn ich das nicht mehr kann, dann schmeiße ich diesen Job hin, das schwör’ ich Ihnen!«
»Fertig?« fragte van Appeldorn kalt.
Sie atmete tief durch. »Ach, es hat offenbar keinen Sinn..«
»Können wir jetzt weitermachen?« fragte van Appeldorn in die Runde.
Toppe sah ihn mißbilligend an und schüttelte den Kopf.
»Was ist?« fragte van Appeldorn. »Erwartest du, daß ich jetzt was dazu sage? Das ist eine Sache zwischen Astrid und mir. Die sollten wir in einem privaten Gespräch klären.«
»Das hört sich schon besser an«, griff Breitenegger ein.
»Also, fahren wir fort: Ich könnte mir vorstellen, daß viele Eltern davon tatsächlich nichts wissen. Lünterhoffs zum Beispiel. Wir hatten ein ganz ordentliches Gespräch. Die ahnten zwar, daß Simona mit van Velden schlief, aber von diesen Orgien wußten sie nichts. Ich glaube, zumindest der Mutter ist so einiges aufgegangen über den Unterschied zwischen Selbständigkeit von Kindern und Verwahrlosung. Sie wollte die ganze Geschichte an die Öffentlichkeit bringen, aber ihr Mann hat sie schnell gebremst, von wegen Ruf der Familie und so.«
Van Appeldorn brummte Unverständliches.
Astrid blätterte den Fotostapel durch. »Diese beiden Studentinnen, Diane und Martina, die sind auf vielen Fotos drauf. Man könnte die Köpfe rauskopieren und vergrößern. Wenn ich damit zur Kunstakademie fahre und mich ein bißchen umhöre, müßten die sich doch eigentlich finden lassen, oder?«
Toppe dachte noch immer über Breiteneggers Theorie nach. Ein Racheakt? Vielleicht Erpressung?
»Wie sehen denn die Alibis der Düsseldorfer Freunde für die Tatzeit aus?« wollte er wissen.
»Die meisten sind ziemlich mager«, antwortete van Appeldorn, »aber gerade das ist ja oft ein Hinweis, daß sie echt sind. Überprüfen konnten wir natürlich noch keins.«
»Dann wissen wir ja, was wir am Montag zu tun haben.«
»Und was ist aus deinem,Menetekel’ geworden?« Toppe nippte an seinem Kaffee und ließ sich Zeit. Nach dieser ganzen Mädchensache war es für ihn gar nicht so einfach, seinen eigenen Faden wiederzufinden.
Die anderen ließen ihn erzählen, enthielten sich aber jeglicher Kommentare. Sie waren alle drei zu sehr in ihre eigene Geschichte eingebunden.
»Und was geben wir am Montag an die Presse?« fragte van Appeldorn, als sie ihren Kram zusammengepackt hatten, um endlich doch noch
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