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Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Titel: Ben Driskill - 02 - Gomorrha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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zu hören?«
    »Dazu kommen wir später, Mr. Tarlow. Erst das große Bild, der Kontext.«
    »Nennen Sie mich bitte Hayes.«
    Herb Varringer lächelte und nickte. Dann gingen sie die Straße hinab, im Schatten.
     
    »Ein echtes Stück Amerika«, meinte Varringer. »Diese Bahn hat man für das schnellste Beförderungsmittel gehalten, das der Mensch bauen konnte, um von unten auf die Klippen zu gelangen.« Sie standen auf einer kleinen Aussichtsplattform auf einer Klippe und blickten auf die Stadt hinab und auf die kürzeste Schmalspurbahn der Welt, die heraufführte. »Hier oben haben immer die Reichen gewohnt und die sogenannte Arbeiterklasse unten in der Ebene. Ich war immer darauf bedacht, viele Menschen zu kennen, die unten wohnten. Man weiß ja nie, ob man nicht eines Tages selbst unten wohnen muß und einen Freund braucht. Irgendwie haben wir zusammengehört, die Ebene und die Klippen, irgendwie haben wir uns gegenseitig respektiert. Ach, zum Teufel, das ist jetzt alles vorbei. Keiner respektiert mehr den anderen. In der Ebene wird man nur leichter überflutet.«
    Hayes Tarlow blickte über das Dutzend Kirchtürme hinweg, von denen die meisten schwarz waren, einige jedoch auf halber Höhe ein weißes Zierband aufgemalt hatten. So was hatte er noch nicht gesehen. In der Ferne sah er das Reservoir an der Landzunge, wo – laut Herb – der schönste Park der Welt war. Herb schien zu denken, daß alles in Saints Rest das Größte und Schönste war, das er je gesehen hatte. Doch Hayes Tarlow mußte zugeben, als er flußaufwärts, nach Illinois oder Wisconsin, hinüberschaute, daß dieser Teil der Welt wunderschön war. Auf dem Mississippi fuhren mehrere Lastschiffe flußaufwärts. Das Mittelstück einer Brücke, über die offenbar die Eisenbahn fuhr, öffnete sich, um sie hindurchzulassen. Eine andere Brücke, deren Bogen wie der Rücken eines verdammt großen Dinosauriers aussah, führte nach East Saints hinüber, das in Illinois lag.
    »Da unten«, Varringer streckte den langen Arm aus und zeigte mit den knochigen Fingern ins Tal, »zwischen dem Geschäftsviertel und dem Fluß, da unten hat meine erste Elektronikfabrik gestanden. Wir haben Bausätze für Hawkeye-Radios gefertigt, starke Endstufen, große Kofferradios in echten Lederfutteralen, mit langen Teleskopantennen. Damals war ich ein Teenager und führte das Geschäft zusammen mit meinem älteren Bruder. Dann hat ihn der Fluß erwischt, in einem schlimmen Sturm, und ich bin aufs College gegangen und Ingenieur geworden …« Seine Stimme verebbte. Dann sagte er: »Die Menschen haben es längst vergessen, aber damals haben wir Fernseher gebaut und im ganzen Mittelwesten verkauft. Wir machten sogar in den Fernsehsendern in Chicago und Cincinnati und Cleveland und Detroit Werbung … ›Das schärfste Bild bringt nur Hawkeye‹ …« Er mußte lächeln.
    »Ziemlich guter Werbeslogan, Herb.«
    Varringer nickte. »Nicht übel, wenn man Perfektion will.« Er schnaubte und erinnerte sich daran, daß er ein zäher alter Geschäftsmann zu sein hatte. »Na ja, das ist jetzt alles Schnee von gestern. Fortschritt, Sie wissen schon. Die alte, eingeschossige Fabrik hat man abgerissen und ein Lagerhaus hingebaut, das wie eine Schuhschachtel aussieht. Wir waren direkt neben dem Baseballfeld an der Vierten Straße.«
    »Ich sehe keinen Sportplatz.«
    »Stimmt. Können Sie auch nicht. Den gab es früher dort. Auf dieser Seite vom Schrotturm. Also der Schrotturm – das ist Bürgerkrieg pur. Sie haben das Grobschrot erhitzt und dann durch den ganzen Turm herunterfallen lassen, damit es abkühlte. Jedenfalls so ähnlich. Das war vor meiner Zeit. Beim Schrotturm an der Flutmauer ist es ziemlich einsam. Sehen Sie die Eisenbahnbrücke rechts vom Turm? In Saints Rest haben nachts immer viele Züge gepfiffen. Ich bin damit groß geworden, wahrscheinlich werde ich sie noch im Sterben hören. Ein einsamer Klang – so ähnlich wie die Vorstellung eines Poeten von der Ewigkeit.« Er lachte kurz. »Lassen Sie uns runterfahren.«
    Sie warteten, bis eine Schar kleiner Mädchen mit Eiswaffeln aus dem Waggon der Minibahn gestiegen war. Varringer kaufte die Billetts, dann schoben sie sich durch die Drehsperre, stiegen in das Abteil und nahmen auf den stark geneigten Sitzen Platz. Die Fahrt über den ungefähr hundert Meter hohen Abhang war ziemlich holprig, aber immer im Schatten.
    Am Fuß des Hügels stiegen sie aus und machten einer Gruppe weißhaariger Touristen Platz. »Wie wär’s mit

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