Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Worten vollkommen unschuldig.“
Ihr entschlüpfte ein kleiner Laut, der entweder ein Ausruf, ein Schluchzen oder ein Seufzer war oder alles in einem. „So wie du es sagst, klingt es so einfach. Aber es gibt keinen Weg, um sicher zu wissen, was damals passiert ist.“
„Ich habe es dir schon gesagt, ich habe die Akte gelesen. Roan hat sie mir gegeben. Der Anwalt deiner Mutter hat dieselbe Aussage gemacht wie zwei Nachbarn. Und die paar Worte, die dein Vater sagte, bevor er …“
„… an der Schussverletzung starb, die er sich selbst zugefügt hatte“, fuhr April an seiner Stelle fort.
„Richtig. Das Einzige, was er immer wieder sagte, war, wie Leid es ihm tue, und wie sehr er sich wünschte, dass er es ungeschehen machen könne.“
„Oh, lieber Gott“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen.
„Es tut weh, ich weiß“, sagte er mit leiser Stimme. „Es tut mir Leid.“
„Nein.“ Sie holte tief Atem. „Diesen Teil kannte ich nicht, ich wusste nicht, wie er danach gefühlt hat. Ich erinnere mich nur, dass er neben mir stand und diese schrecklichen Sachen sagte, dann schoss er. Zuerst dachte ich, dass er mich … aber er richtete die Waffe gegen sich selbst.“
„Du warst erst fünf.“ Luke fühlte sich so hilflos. Er wollte die Hand ausstrecken und ihre Tränen trocknen, aber er wagte es nicht.
„Es ist schon ein Leben lang her und trotzdem kommt es mir vor wie gestern.“ Sie wischte sich die Tränen unter ihren Augen ab, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. „Aber wir reden jetzt über Frank, oder? Warum hätte er mich anlügen sollen?“
Sie will von ihren Problemen ablenken, dachte Luke. Es widerstrebte ihm, es dabei zu belassen, aber es gab noch andere Dinge, die gesagt werden mussten. „Warum? Zum Teil aus Rache. Um mir das zu nehmen, was ich ihm genommen hatte. Und vielleicht, um irgendwem die Schuld geben zu können, irgendwem, nur nicht sich selbst.“
„Aber so wie du es sagst, klingt es persönlich.“
„Das war es auch“, sagte er in grimmiger Gewissheit. „Und ist es immer noch.“
Sie wandte sich ihm zu und schaute ihn forschend an. Nach einem Moment sagte sie: „Also gut. Vielleicht habe ich nicht gefragt, als ich es hätte tun sollen. Erzähl es mir jetzt.“
Luke spürte, wie ihm das Herz anschwoll. Er konnte kaum atmen und noch weniger sprechen, und doch musste er sie dazu bringen, dass sie verstand. Es könnte die einzige Chance sein, die er je bekommen würde.
„Mary Ellen war so alt wie ich“, begann er schließlich, „das heißt, sie war zwei Jahre älter als du, und das ist auf der High School viel. Du kannst dich wahrscheinlich nicht besonders gut an sie erinnern, aber bis fünfzehn war sie ein graues Mäuschen. Dann übertrieb sie es maßlos … gebleichtes Haar wie in den Fünfzigern, Dracula-Nagellack und Klamotten wie bei Frederick in Hollywood. Die Typen waren total scharf auf sie, manche jedenfalls. Natürlich war das die falsche Art von Aufmerksamkeit. Sie war völlig außer Rand und Band, haute nachts von zu Hause ab, trieb sich an den falschen Orten herum, trank Alkohol und sammelte Skalps.“
„Wenn du damit sagen willst, dass sie mit jedem Jungen, der sie fragte, auf den Rücksitz kletterte, daran erinnere ich mich“, unterbrach April ihn. „Und wenn du nach einem freundlichen Weg suchst, zu sagen, dass sie dir nachgelaufen ist, dann erinnere ich mich daran ebenfalls.“
„Du warst eifersüchtig“, sagte er.
„Das war ich nicht! Sie hat mir sogar irgendwie Leid getan. Sie verhielt sich so eindeutig und hatte so wenig Stolz. Davon abgesehen, hat sogar Frank zugegeben, dass sie hinter dir her war.“
„Sie hat es einem nicht leicht gemacht, Nein zu sagen. Sie kapierte es nur, wenn man ihr eine richtige Abfuhr erteilte, aber sie konnte sich so schlecht wehren. Es ist schwer, jemand wie sie loszuwerden, ohne ihn zu verletzen.“
„Und das hast du noch nie gern gemacht“, sagte sie und verzog leicht den Mund.
„Kann sein. Sie wirkte so verzweifelt, sie war immer auf der Suche nach Nähe und schien nie genug bekommen zu können, dabei erwartete sie gar nicht, dass man ihr echte Gefühle entgegenbrachte, fast als ob sie glaubte, dass sie es nicht verdiente. Und sie hatte Angst vor Frank. Sie versteckte sich vor ihm und verlangte immer, dass man schwören solle, ihm nicht zu sagen, wo sie ist. Es hat nichts genützt. Er hat sie immer gefunden.“
„Frank hat sie überbehütet, ist es das?“
Luke zögerte. „Ich glaube nicht,
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