Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
der Grund dafür, dass du heute Liebesromane schreibst, April, Schätzchen.“
„Du bist was?“ Sie warf ihm einen entgeisterten Blick zu und kniff die Lippen zusammen.
„Gib es zu“, sagte er. „Wo wärst du heute, wenn ich anders wäre? Du wärst seit zehn Jahren eine verheiratete Frau, die nicht mehr aufzuweisen hätte als eine ziemliche Bruchbude von einem Haus und ein halbes Dutzend schreiender Kinder, die sich an ihre Rockschöße klammern.“
Die Rothaarige schob ihre Pizza zurück, während sie die beiden mit unverhohlener Neugier musterte. „He, ich dachte, ihr habt euch erst kürzlich kennen gelernt. Kennt ihr euch wirklich schon so lange?“
„Noch viel länger“, sagte Luke und lächelte April an.
Sie holte verunsichert Luft. „Was für eine ergreifende Vorstellung, vor allem mit einem liebenden Gatten an meiner Seite“, sagte sie mit vor Ironie triefender Stimme. „Doch da sich dieser Traum nicht erfüllt hat, musste ich mir wohl oder übel einen anderen suchen. Es war eine Überlebensfrage, keine freie Entscheidung.“
Das Triumphgefühl, das Luke eben noch verspürt hatte, löste sich schlagartig in Luft auf. Offenbar würde er doch noch alle Hilfe brauchen, die er bekommen konnte.
5. KAPITEL
U nd dann war der Abend schließlich vorüber. Man hatte sich verabschiedet und sich versichert, wieder zusammenzukommen, danach trennten sich die Wege der Versammelten. April ging neben Luke zu dem Parkplatz, auf dem er seinen Jeep abgestellt hatte. Nur noch ein paar Minuten, und dann würde sie Gott sei Dank in ihrer Hotelsuite sein.
Obwohl sie für heute mehr als genug hatte, ging der Trubel im Quarter jetzt erst richtig los. Durch die engen Einbahnstraßen wälzten sich unzählige Autos, Touristenbusse, Taxis und Pferdedroschken, und dazwischen sah man immer wieder Streifenwagen der Polizei. Auf den Gehsteigen drängten sich die Amüsierwilligen, sie verließen Restaurants und Bars oder gingen hinein. Die Nachtluft war von lauten Jazz- und Zydecoklängen und hin und wieder von verschwenderischen Strömen künstlich erzeugter Kühle erfüllt. Von der herzförmigen Würstchenbude auf Rädern an der Ecke wehte ein scharfer Senfgeruch durch die schwülfeuchte Luft herüber und verschmolz mit den allgegenwärtigen Alkoholdünsten. Es war ein typischer Samstagabend in New Orleans.
Der Tag hatte sich am Ende als nicht ganz so katastrophal herausgestellt, wie April erwartet hatte. Luke hatte sich alles in allem recht anständig benommen und nicht versucht, ihr irgendwelche Vorschriften zu machen. Und ein oder zwei Mal war seine Anwesenheit sogar hilfreich gewesen. Trotzdem war ihre Erleichterung darüber, dass sie ihn bald los sein würde, so groß, dass sie fast mit Händen zu greifen war.
Das oder der Wein, den sie zum Essen getrunken hatte, musste der Grund für das Prickeln sein, das sie am ganzen Körper verspürte. Mit dem Mann an ihrer Seite konnte es wohl kaum etwas zu tun haben.
„Alles in allem gar kein so schlechter Tag“, sagte Luke nachdenklich.
Für einen kurzen Moment erschien es ihr fast so, als ob er ihre Gedanken gelesen hätte. Sie warf ihm aus den Augenwinkeln einen kurzen Blick zu. Er schlenderte mit den Händen in der Tasche dahin, während er versuchte, seine langen Schritte ihren kürzeren anzupassen. Er wirkte vollkommen entspannt und schien die Spannung, die zwischen ihnen in der Luft lag, gar nicht zu bemerken. Es kam ihr ausgesprochen ungerecht vor.
„Ich nehme an, du sprichst für dich selbst“, sagte sie ausdruckslos.
„Ich finde, du hast dich sehr gut gehalten. Der Ehrengast, sehr kühl und konzentriert.“ Er streifte sie mit einem Blick. „Du hast nicht mal die Frau angegriffen, die dein Buch so runtergemacht hat.“
Ihre Augen weiteten sich kurz, bevor sie fragte: „Woher weißt du das?“
„Ich habe es zufällig mitbekommen.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Die Bemerkung war ein schmerzliches Eingeständnis der Tatsache, dass die Klatschund Tratschbörse der Liebesromanautorinnen wie geschmiert funktionierte.
„Du solltest dir solche Dinge nicht so zu Herzen nehmen. Eine Einzelmeinung spielt keine Rolle.“
„Wenn sie ehrlich ist, schon.“
Er musterte sie einen Moment. „Das heißt?“
„Muriel Pott mag mich nicht besonders.“
„Ich vermute, dafür gibt es einen Grund?“
Sie hob eine Schulter. „Sie hat mir vor ein paar Jahren ein Manuskript von ihrem ersten Buch mit der Bitte geschickt, ob ich nicht ein paar Worte schreiben
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