Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
hieß natürlich noch lange nicht, dass sie nicht jedes Wort, das sie gesagt hatte, auch wirklich ernst gemeint hatte.
„Na ja“, sagte die Rothaarige mit einen verunsicherten Auflachen, „ich könnte mir vorstellen, dass ich mich unter Umständen damit abfinden könnte, wenn der Rest stimmt.“
Die Bemerkung sollte offensichtlich Balsam auf sein verwundetes männliches Ego sein. Es war freundlich von ihr, aber Luke war nicht gern ein Objekt von Mitleid.
Dass April solche Anwandlungen nicht hatte, bewiesen ihre nächsten Worte. „Ich bin ja nur froh, dass du glaubst, dass die Rolle zu ihm passt. Ich hatte schon Angst, er könnte womöglich noch größenwahnsinnig werden.“
„He, jetzt mach aber mal einen Punkt!“ rief Luke verärgert aus.
„Für mich selber wünsche ich mir einen Mann, der weiß, was er will“, sagte die Rothaarige mit einem schnellen Blick in seine Richtung.
„Da ist Luke bestimmt genau der Richtige“, gab April mit einem kühlen Lächeln zurück. „Dazu kommt noch, dass er sogar einen passenden Spitznamen hat, so dass ich mir nicht mal einen ausdenken muss.“
Er schloss die Augen, während sie sich seinen Spitznamen genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. Er verabscheute ihn, und das wusste sie genau. Und doch würde er ihr nicht noch einmal auf den Leim gehen. Ihn abzuschütteln würde schwerer werden, als sie sich vorstellte.
„Der Mitternachtsmann“, übersetzte Julianne, als zwei Frauen verständnislos dreinschauten. Mit Blick auf April fuhr sie fort: „Hat er zufälligerweise etwas mit dieser Familie am See zu tun, über die du zur Zeit schreibst?“
„Wohl kaum“, sagte April, um ihre Freundin zu bremsen, eine Spur lauter als nötig und schüttelte unauffällig den Kopf.
Luke hätte gern Genaueres über dieses Buch erfahren, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um nachzubohren.
„Der Mitternachtsmann“, sagte eine andere Frau gedämpft in das Schweigen hinein. „Ich frage mich, was er getan hat, um sich diesen Spitznamen zu verdienen.“
„Die Frage ist eher, was er nicht getan hat“, gab April zurück. „Und die Antwort ist: nicht viel.“
„Ach, jetzt auf einmal?“ brummte er mit finsterem Gesicht. Julianne hatte erzählt, dass April um sich schlug, wenn sie verletzt war. Er fragte sich, ob das jetzt der Fall war. Aber man konnte einen Menschen doch nur verletzen, wenn diesem etwas an einem selbst lag, oder?
Sie überhörte seinen Einwurf und schaute sich lächelnd um. „Unser Luke ist ein sehr erfahrener Mann. Im Gegensatz zu dem armen alten Freud weiß er genau, was sich Frauen wünschen.“
Luke verschränkte seine Arme fester über der Brust, weil er befürchtete, er könnte sie sonst erwürgen. „Und woher weißt du das?“
„Das weiß doch jeder“, gab sie scharf zurück, aber der Kerzenschein enthüllte einen Anflug von Unsicherheit in ihren Augen.
„Und du siehst mich wirklich so?“
Sie legte den Kopf schräg und musterte ihn eingehend. „Nicht ganz. Für mich bist du ein Pirat, der sich nimmt, was er will, und weitersegelt, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die Frauen zu verschwenden, die er zurücklässt.“
„Ich dachte bis jetzt immer, Piraten nehmen ihre Gefangenen mit“, wandte er ein, bevor er sich wie ein Pirat grinsend – so hoffte er zumindest – am Tisch umschaute.
„Du nicht. Du bist ein Flusspirat, ein Mike Fink, der keine Gefangenen nimmt.“
Luke war über den Vergleich nicht gerade glücklich, auch wenn jedes Jahr beim Flusspiratenfest Mike Finks Heldentaten gerühmt wurden. Er hatte in der Zeit vor dem Bürgerkrieg den gesamten unteren Mississippi in Angst und Schrecken versetzt und von seinem in einer Höhle am Fluss gelegenen Versteck aus Schiffe zerstört.
„Das hängt ganz von der Gefangenen ab“, sagte er, eine Braue hochziehend. „Und wohin sie verschleppt werden will.“
„Wow!“ sagte die Rothaarige, wobei sie so tat, als würde sie sich mit der Hand kühle Luft zuzufächeln.
„Er bekommt einen Punkt,
chère“
, sagte Julianne zu April, ohne sich die Mühe zu machen, sich ihr Lächeln zu verkneifen.
„Er hat nur eine zu gute Meinung von sich selbst“, erklärte April mit einem finsteren Blick in ihre Richtung. „Und ihr beide seid mir keine Hilfe.“
Das sah Luke ebenfalls so, obwohl er keine Hilfe brauchte. „Was Recht ist, muss auch Recht bleiben“, erklärte er. „Auch wenn ich vielleicht keine gute Vorlage für einen Helden abgebe, so bin ich doch mit Sicherheit
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