Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Zufall sein, dass ausgerechnet jetzt irgendwer beschlossen hat, ihn anzubinden, aber er streift schon über ein Jahr ohne Probleme hier in der Gegend herum. Heißt das nichts für dich?“
„Es heißt, dass Probleme die Tendenz haben, immer alle auf einmal zu kommen.“
Sie gab ein verärgertes Schnauben von sich. „Ja, und ich nehme an, dass du meine Türen und Fenster nur deshalb ausgebessert hast, weil du gerade Lust dazu hattest.“
„Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.“ Er wusste nicht, warum es ihm so widerstrebte zuzugeben, dass man ihre Katze entführt haben könnte, außer dass er die Vorstellung hasste, dass sie sich deswegen Sorgen machte.
Sie schwieg einen Moment, wobei sie immer noch auf Midnight schaute, der sich voller Hingabe kraulen ließ und fast von ihrem Arm runterfiel, als er versuchte, sich noch mehr in Lukes harte Hand zu schmiegen. „Er mag dich“, sagte sie übergangslos. „Normalerweise steht er nicht auf Männer.“
„Sein Hals juckt von der Schnur, das ist alles“, gab Luke zurück.
„Glaubst du?“ fragte sie. „Oder hat er sich schon an dich gewöhnt? Vielleicht in der letzten Woche oder so?“
Er hätte eigentlich inzwischen an diese Art Ohrfeige gewöhnt sein müssen, aber irgendwie traf es ihn immer unerwartet. Er hatte keinen Schimmer, was er darauf erwidern sollte. Ein vorbeifahrendes Auto rettete ihn vor einer Antwort.
Das Fahrzeug, ein sportlicher Kompaktwagen, bremste vor der scharfen Kurve, die die Straße vor Mulberry Point machte, ab. Der Fahrer drehte den Kopf und schaute unverwandt auf Luke und April, die da so nah beieinander standen. Er starrte weiter, obwohl die Straße eine Biegung machte. Als er sah, dass sie seinen Blick erwiderten, riss er den Kopf herum und gab Gas. Innerhalb von Sekunden war er außer Sichtweite.
„Was um alles in der Welt …“, begann April, dann unterbrach sie sich. „Wer war das?“
„Hast du deinen alten Freund nicht erkannt?“ Luke nahm seine Hand von der Katze weg und schob sie in seine Hosentasche. Als sie ihm einen erstaunten Blick zuwarf, fügte er hinzu: „Frank Randall?“
„Ach.“
Es war kein besonders viel sagender Kommentar in Anbetracht der Tatsache, dass Mary Ellen Franks Schwester gewesen war. Frank war ein großer, bulliger Typ, ein Einzelgänger, mit dem nicht besonders viel los war. Zwei Monate nach dem Tod seiner Schwester hatte er sich zur Luftwaffe gemeldet. Er und April hatten irgendwann mal ein paar Wochen zusammen herumgehangen. Luke vermutete, dass viel mehr an der Sache nicht dran gewesen war, außer dass April mit Frank irgendwie Mitleid gehabt hatte, aber ganz sicher war er sich nie gewesen. Und dann war Frank aus Turn-Coupe weggegangen. „Frank ist seit einer Weile wieder in der Stadt, offenbar hat er von der Armee die Schnauze voll. Ist er dir nie über den Weg gelaufen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Irgendwer, vielleicht Betsy vom Motel unten, hat erwähnt, dass er bei der Armee den Dienst quittiert hat. Und was macht er jetzt?“
„Er versucht sich ein Geschäft aufzubauen, indem er Angelund Sumpftouren organisiert. In den Sümpfen kennt er sich ja ziemlich gut aus.“
„Angel- und Sumpftouren? Glaubst du, dass er das schafft?“
„Nimm es als eine gute Ausrede, um zu fischen und zu jagen, was immer er will“, erwiderte Luke mit einem schiefen Lächeln.
„Ich hätte mir gleich denken können, dass du dich darüber nur lustig machst“, sagte sie und wandte sich von ihm ab.
Luke hatte sich nicht lustig gemacht. Es schien ihm an der Zeit, sich zu verabschieden.
April beobachtete, wie Luke wegfuhr, während sie Midnight wie ein Baby in ihren Armen wiegte. Als der Jeep außer Sichtweite war, vergrub sie ihr Gesicht einen langen Moment in dem weichen Fell des Tieres, auf der Suche nach einer Art Trost, den sie nicht genau benennen konnte. Dann seufzte sie und hob den Kopf. Sie sollte sich von dem Mann nicht aus der Fassung bringen lassen, aber wie konnte sie sich dagegen schützen? Er war ständig präsent. Er ging ihr unter die Haut, wie kein anderer es jemals geschafft hatte. Er brachte sie dazu, Dinge zu sagen, die sie anschließend bereute. Er verwandelte sie in eine misstrauische Furie, und dann schaffte er es, ihr deswegen Schuldgefühle einzujagen.
Aber er schaffte es auch, dass sie sich sicher fühlte, wenn er in ihrer Nähe war, und das war erschreckend. Sie brauchte keinen Mann, um sich sicher zu fühlen, sie wollte keinen. Selbst jetzt, obwohl er erst ganz kurze
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