Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
wollte doch nur …“
„Das hast du schon gesagt. Aber du kannst nicht einfach Entscheidungen für mich treffen und von mir erwarten, dass ich einverstanden bin, nur weil du denkst, dass es das Beste für mich ist.“
Er beobachtete sie einen langen Moment. „Ich hätte nie gedacht, dass du so fies sein kannst.“
„Wirklich nicht? Wenn du dich ohne einen Ton zu sagen in aller Herrgottsfrühe hier rausschleichst? Was blieb mir denn anderes übrig?“
„Hast du es deshalb getan? Weil ich dich nicht geweckt habe, um dir zu sagen, dass ich wegfahre?“
„Weil du mir keine Wahl gelassen hast. Weil du genauso selbstherrlich bist wie all die anderen idiotischen Machos, die mich davon abhalten wollen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Weil …“
Sie unterbrach sich, weil ihr die Stimme wegblieb. Sie wandte sich ab und schaute aufs Wasser.
„April“, begann er und machte einen schnellen Schritt auf sie zu.
„Nein“, sagte sie, während sie ihn wieder anschaute. „Du hast mir etwas weggenommen, was mir sehr wichtig ist, nämlich meinen freien Willen. Und ich habe dir zum Ausgleich dafür auch etwas weggenommen, was nicht ganz so schwer zu ersetzen ist … ein paar alte Köder. Wir sind zwar immer noch nicht quitt, aber wir kommen der Sache langsam näher.“
Er schüttelte den Kopf. „Das sehe ich überhaupt nicht.“
„Sondern?“
„Du hast mir Erinnerungsstücke an die Angelausflüge mit meinem Dad weggenommen. Ganz zu schweigen von den Hoffnungen auf die Zukunft, die ich früher hatte. Solche Dinge kann man nicht ersetzen.“
Ihre Stimme klang nicht mehr ganz so entschieden, als sie sagte: „Ich hatte auch Hoffnungen. Und Träume.“
„Ach, wirklich?“ Auf seinem Gesicht spiegelte sich für einen Moment Unsicherheit, bevor er schließlich den Kopf senkte. „Vielleicht sind wir ja doch quitt.“
Er langte nach seiner Angel und der Spule, dann ging er an den Bug zurück. April kehrte einen Moment später zu ihrer Arbeit zurück. Als es dunkel wurde, hatte sie drei Seiten voll geschrieben und Luke hatte noch zwei Barsche gefangen. Während er den Fisch säuberte und filettierte, bereitete sie eine Panade zu und schälte und schnitt Kartoffeln. Er briet den Fisch und die Kartoffeln in Erdnussöl an, während sie Kohl und Karotten für Kohlsalat schnitt, anschließend machte sie eine Salatsoße. Sie arbeiteten im Team, ohne große Diskussion über die verschiedenen Aufgaben oder wer sie übernehmen sollte, vielleicht weil die Arbeitsteilung traditionell war und sie beide genau wussten, was sie zu tun hatten.
April hätte Luke die ganze Arbeit allein überlassen können. Immerhin war sie nicht freiwillig hier, und Fisch zum Abendessen war schließlich seine Idee gewesen. Aber das ließ ihr Sinn für Gerechtigkeit nicht zu. Schließlich mussten sie beide essen, und ihre Mithilfe beschleunigte den Fortgang der Dinge. Außerdem hatte sie ihren Standpunkt deutlich gemacht, und es gab keinen Grund, noch länger darauf herumzureiten.
Das Gewitter war nicht näher gekommen, aber am Horizont sah man ein Wetterleuchten, das die Wolken von innen heraus hell erstrahlen ließ. Sie beobachteten das faszinierende Naturschauspiel, während sie aßen, obwohl sie das Licht anließen, damit sie die Gräten sehen konnten. Später, nachdem die Küche sauber war, machten sie das Licht aus und setzten sich mit ihrem Eistee draußen auf das dunkle Vorderdeck, um dem Wetterleuchten noch ein bisschen zuzuschauen.
Sie redeten nur gelegentlich. In der Luft lag immer noch der Geruch nach heißem Öl, frittierter Panade, Zwiebeln und Röstkartoffeln. Die Nacht legte sich über das Boot, und gleichzeitig machte sich in der schwülen Atmosphäre ein Gefühl von Erwartung breit. April dachte, dass es von dem Ozon kam, das bei dem Gewitter in der Ferne freigesetzt worden war, aber vielleicht lag es auch daran, dass sich die Geschöpfe der Nacht so still verhielten, weil sie abwarteten, ob es regnen würde. Ab und zu quakte ein Frosch, aber das war auch schon alles.
April schaute ein oder zwei Mal auf den Mann neben sich und auch auf die lange Bank, auf der sie saßen. Die gepolsterte Oberfläche hatte ihm letzte Nacht zumindest am Anfang als Bett gedient. Wo würde er heute Nacht schlafen? Würde er es in Kauf nehmen, draußen im Schlaf von einem Gewitter überrascht zu werden, oder spekulierte er darauf, ihr Bett mit ihr zu teilen? Seine Bemerkung vorhin machte das Letztere wahrscheinlich, aber sicher konnte sie sich
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