Benjamins Gärten (German Edition)
an den Herd, erklärt mir das Gericht, brät Zwiebeln und Schinkenwürfel an.
»Dazu Chili, das macht scharf«, er grinst mich an. Ich bringe ihm den Spargel, lege meinen Arm um seine Hüfte. Er rührt um, steht ganz still, summt.
Ich beobachte seine Hände, während sie mit einem Löffel Sahne und Käse unterrühren. Der Ring blitzt an seinem Finger. Vielleicht sollte ich ihm auch einen schenken. Einen besonders schönen. Platz genug ist an seinen Händen. Ich küsse seinen Nacken. Ob genug Platz in meinem Herzen ist, weiß ich nicht.
Marek verteilt das Essen auf zwei Teller und wir gehen in den Garten. Laufen hinunter zum Bach. Noch bevor wir uns gesetzt haben, ist Jurek aufgetaucht, kommt mit heiteren kleinen Sprüngen näher. Er setzt sich, schnobert interessiert in Richtung unseres Essens, wird dann jedoch von etwas anderem abgelenkt. Ein warmer, böiger Wind weht, Jurek liebt es, wenn er durchs Gras bläst. Springt übermütig und kopfüber hinein. Überall bewegt sich etwas, raschelt es, herrlich. In solchen Momenten schlägt seine bäuerliche Herkunft durch. Wir lachen und essen auf. Ich halte meine Nase in den Wind. Glück kann so einfach sein.
Marek stellt die Teller weg, setzt sich hinter mich ins Gras, legt die Arme um mich. Wir schweigen. Er hält mich fester: »Du erzählst nie etwas von deinen Eltern.«
Kleine Nadeln schieben sich unter meine Haut: »Du fragst nie.«
Er vergräbt den Kopf in meinem Nacken: »Nicht diese Diskussion«, flüstert er.
»Nein«, sage ich tonlos, schüttle den Kopf, »ich weiß nicht, ob du es hören willst. Ob irgendjemand es hören will.«
Seine Stimme war noch nie so warm: »Ich sehe, dass Dinge in dir sind, herauswollen, und bekomme sie nie zu fassen«, er zieht die Nadeln aus meiner Haut, sanft, küsst meinen Nacken. Treibt die Nadeln gleich wieder tief hinein: »Ich weiß nicht einmal, wie dein Vater gestorben ist.«
Das Glück des Tages verflüchtigt sich, unangenehme Erinnerungen drängen an seinen Platz. Ich blicke hoch zum Schuppen, dem Lieblingsort meines Vaters, dem Ort wo der heitere, ruhige, starke Vater meiner Kindheit verschwand und nicht mehr wiederkehrte.
Ich löse Mareks Arme von mir, stehe auf, ohne mich umzudrehen.
»Komm mit.« Ich gehe vor ihm her durch den Garten, laufe schneller, als wir die Straße erreichen.
Er verzog sich oft in seinen Schuppen nach ihrem Tod. Aber er kam nicht mehr mit selbst gebauten Sachen heraus, sondern nur mit einer Tüte voll leerer Flaschen, heimlich im Dunkeln. Ich hasste sein Selbstbedauern, seine Unfähigkeit. Die mich zwang, an Versicherungen und Behörden zu schreiben, die Überweisung ans Bestattungsinstitut auszufüllen, allein mit dem Pfarrer zu reden.
Abends lag er auf dem Sofa, ohne Licht anzumachen, faltete und öffnete seine Hände, redete mit sich selbst. Manchmal schrie ich ihn an, schimpfte, versuchte ihn aufzurütteln. Er war nicht in der Lage, mit mir zu streiten, jammerte nur. Wir waren uns sehr fern.
Ich beginne zu laufen, renne barfuß über den brüchigen Asphalt. Drehe mich nicht nach Marek um. Ich lasse die letzten Häuser hinter mir. Ein Auto hupt, als es an mir vorbeirast. Ich springe auf den dreckigen Grasstreifen, laufe weiter. Biege schließlich in eine kopfsteingepflasterte Allee ein, die von alten Kastanienbäumen gesäumt ist. Ich war lange nicht mehr hier. Der Baum hat eine tiefe Narbe, einen Riss, der sich um den halben Stamm zieht, dort, wo sich das Auto um ihn gewickelt hatte. Die Narbe hat angefangen zu heilen, die Ränder der aufgesprungenen Rinde sind wulstig. An diesem prangt kein Kreuz wie an vielen anderen Alleebäumen draußen auf den Landstraßen. Ich wollte es nicht. Ich knie mich neben dem Stamm hin, lege eine Hand auf die vernarbte Rinde.
Ich saß auf dem Fensterbrett meines Zimmers, blickte hinaus. Saß oben auf dem Dach oder auf der Friedhofsmauer. Ich blickte hinunter auf das Grab, schaute in die Ferne, rauchte, versuchte Halt zu finden im Wind in den Pappeln oder dem Glitzern des Sonnenlichtes auf dem Bach. Sog die Schönheit blühender Bäume in mich auf. Ich suchte nach kleinen Momenten Glück, mehr verlangte ich nicht, nur das. Hatte begriffen, wie zerbrechlich und zart Glück ist. Und wie kostbar. Das war ihr Vermächtnis an mich.
Unverständlich für ihn. Er sah nur meine Ruhe, das kleine Lächeln in meinem Gesicht, wenn das Morgenlicht den Garten zum Leuchten brachte. Er verstand meine Art zu trauern nicht. Vielleicht trauerte ich auch zu wenig. Musste
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