Bennys Blutgericht
er. »Kollegen werden dorthin fahren, wo dieser Randy Morrison wohnt. Er war ihnen bekannt. Sobald sie etwas entdeckt haben, wie und was auch immer, werden wir benachrichtigt.«
»Das ist gut.«
»Nichts ist gut!« flüsterte der ehemalige Richter. »Keiner wird der Rache entgehen. Sie haben es nicht anders verdient, zum Teufel.«
Ich kümmerte mich nicht um ihn. Die Puppen begann ich zu hassen, und ich fragte mich auch, wie sich ein Mann wie Calypso dazu hatte hergeben können. Eigentlich hätte er Bescheid wissen müssen, aber er hatte den Jungen nicht zurückgehalten.
Ein zwanzigjähriger Mörder!
Himmel, ich konnte es mir kaum vorstellen, aber er wäre nicht der erste gewesen. Es gab noch jüngere, wesentlich jüngere Killer. Die Bilder der jungen Leute, die von ihren Mitschülern in einer Schule in den Staaten eiskalt erschossen worden waren, sah ich noch sehr plastisch vor mir.
Zwar war Benny Benson kein Schüler mehr, doch ich wollte nicht, daß es Tote gab.
Bei jeder Puppe hörte ich das leise und ferne Schreien. Der Klang kam mir vor wie ein Ruf nach Rache. Eine Puppe verschonte ich. Es war Amy Baker, die ein blaues Kleid trug und der man eine Pudelmütze auf den Kopf gesetzt hatte. Sie hatte pechschwarzes Haar und hellblaue Augen. Um sie wollte ich mich persönlich kümmern.
Ich nahm sie an mich. Meine Außentasche an der rechten Seite war so groß, daß sie hineinpaßte.
Dr. Benson hatte mich beobachtet. »Verdammt noch mal, was tun Sie da, Sinclair?«
»Ich nehme nur ein Beweisstück an mich.«
»Nein, das dürfen Sie nicht!«
»Sie vergessen, Dr. Benson, daß Sie kein Richter mehr sind. Tun Sie uns allen einen Gefallen. Denken Sie bitte wieder als Vater und nicht als Rächer.«
»Keine Sorge, überlassen Sie das mir.«
»Drücken Sie Ihrem Sohn die Daumen, daß er noch keine Untat verübt hat, Dr. Benson.«
Der Mann schwieg. Er fuhr mit dem Rollstuhl zurück und damit auf die offene Tür zu, durch die letzte Rauchwolken abzogen. Aber er blieb im Bereich des Eingangs stehen und wartete, uns dabei im Auge behaltend.
»Was machen wir mit ihm?« fragte Suko.
»Ich weiß es noch nicht. Er hat keinen umgebracht…«
»Er ist ein Mitwisser.«
»Haben wir schon einen Toten?«
»Ich hoffe nicht.«
»Dann können wir auch ihm nichts, Suko. So zumindest sehe ich das.«
Er schüttelte den Kopf und wußte auch nicht, was er genau erwidern sollte. Daß Benny Benson noch nicht nach Hause gekommen war, ließ darauf schließen, daß seine Aufgabe nicht beendet war. Er konnte ja nichts von unserem Besuch wissen, doch so sicher war ich mir nicht. Sein Vater hätte ihn auch schnell durch einen Anruf auf das Handy seines Sohnes warnen können.
Ich wollte mit Suko über das Problem reden, denn er war näher an Benson gewesen, als sich der kleine Quälgeist wieder meldete. In diesem Fall allerdings waren wir froh, daß es diese Telefone gab.
Suko meldete sich, und in den folgenden Sekunden hörte er nur zu. An seinem Gesicht las ich ab, wie schlecht die Nachrichten waren, denn er hatte Mühe, einen Fluch oder eine Verwünschung zu unterdrücken. Zum Schluß sagte er nur: »Ja, tun Sie bitte alles, was getan werden muß. Wir werden uns mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Ich sah ihn fragend an.
Suko zuckte die Achseln. »Wir haben leider zu spät gehandelt, John.«
»Dann ist Morrison tot?«
»Ja, und nicht nur er. Auch seine Freundin wohl, die mit ihm zusammenlebte.«
Zwei Leichen. Verdammt, das mußte ich erst einmal verdauen. Mir stieg das Blut in den Kopf. Da kann man so alt werden wie man will, aber sich an den Schrecken zu gewöhnen, schafft man nie. Zumindest mir erging es so.
Benny Benson, kein anderer kam für mich als Mörder in Frage, kannte keine Skrupel mehr. Er ging den blutigen Racheweg, angestachelt durch seinen verbohrten Vater, der seine eigenen Niederlagen nicht überwinden konnte und sie nun durch seinen Sohn glätten ließ.
»Gab es Zeugen?« erkundigte ich mich.
»Davon war nicht die Rede, John. Aber wir wissen, wer es getan hat. Und wir werden Benny jagen müssen.«
Ich fragte mich, wo er steckte, wo wir suchen mußten, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß uns der pensionierte Richter dabei hilfreich war. Er würde triumphieren, wenn er erfuhr, was sein Sohn da geleistet hatte. Noch wartete er im Eingangsbereich auf uns. Ich verließ das Zimmer seines Sohnes als erster und ging langsam zu ihm. Dicht vor seinem Rollstuhl blieb ich stehen. Er mußte wohl merken, wie mir
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