Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
Ansturm der Gedanken, die üblicherweise über mein Gehirn herfielen, wenn ich zu schlafen versuchte, ließ ich meinen Geist durch die Dunkelheit hinter meinen Lidern schweifen. Ohne dass ich mich dafür hätte anstrengen müssen, stellte ich fest, dass ich durch die Dunkelheit hinab sank, bis sie schließlich einem Strom reinen Lichts wich, das so hell und einladend war, dass ich bereitwillig darin eintauchte.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, stellte ich fest, dass ich nicht mehr in meinem Kopf war – und im gleichen Moment bemerkte ich etwas anderes: Ich befand mich auch nicht in meinem Körper!
Ich hatte meinen Körper bislang erst zweimal verlassen, und bei diesen Gelegenheiten war ich kaum zwei Sekunden später in dem eines anderen gelandet, weshalb keine dieser beiden Erfahrungen so besonders erschütternd gewesen war – insbesondere beim ersten Mal, als ich festgestellt hatte, dass der Kerl, in dessen Körper ich steckte, total scharf und so straff gebaut war, dass einem schwummrig davon wurde.
Doch diesmal war es anders. Diesmal wurde ich nicht sofort in den Körper eines anderen gestopft wie das Fleisch in eine Seelentortilla. Stattdessen trieb ich völlig losgelöst von meiner (oder irgendeiner anderen) körperlichen Gestalt, frei, mich überall hinzuwenden, ohne dass mich jemand hätte aufhalten können.
Ich erfreute mich also an meiner neu entdeckten Freiheit, schaute mich um und stellte fest, dass ich mich wieder in der Totenhalle befand. Ein Teil von mir wollte in das Zimmer gehen, in dem Suri und die Ritterrüstungen nach wie vor gegen den Schatten kämpften, aber etwas, eine Art innere Stimme, zog mich fort.
Hier nicht, flüsterte sie mir zu.
Ich ließ mich von der Stimme durch die Halle führen, dorthin, wo mein bewegungsloser Körper stand, der Janas’ Hände fest umklammert hielt und die Augen in absoluter Konzentration geschlossen hatte.
Es war komisch, mich selbst solcherart »entkörperlicht« zu sehen. Ich war immer der Meinung gewesen, meine schlanke Gestalt sei zu jungenhaft – was einer der Gründe war, aus denen ich so viel feminin aussehendes Zeug wie möglich anzog –, aber von dieser Seite des Spiegels aus wurde mir klar, dass ich vielleicht ein bisschen zu selbstkritisch gewesen war. In letzter Zeit hatte ich ein paar Pfunde zugenommen, und mein Hintern und meine Brüste sahen deutlich runder aus als früher. Auch mein Gesicht war etwas voller, wodurch es weniger kantig wirkte. Alles in allem fand ich, dass ich recht flott aussah, auch wenn das natürlich nur meine völlig subjektive Meinung war.
Vielleicht bin ich ja doch gar kein so schlechter Fang, sagte ich mir. Ohne die Hundesabber-Kombination komme ich ziemlich weit in den vorzeigbaren Bereich.
Doch bevor ich zu lange dabei verweilen konnte, mich anzuglotzen, drängte mich die Stimme in meinem Innern, die mich von Suri und dem Schatten weggeführt hatte, weiter.
Hier lang, sagte sie. Beeil dich.
Ich ließ meinen Körper und Jarvis hinter mir und schwebte durch den Hauptgang. Auf dem Weg suchte ich mit dem Blick die Torbögen und angrenzenden Räume ab, während ich wartete, dass die kleine Stimme mir neue Anweisungen gab. Eine ganze Weile herrschte Funkstille, doch dann, als ich mich dem Ende der Halle näherte, drehte die kleine Stimme auf.
Bieg hier ab. Jetzt!, kreischte sie beinahe.
Ich tat wie geheißen, obwohl es, soweit ich sehen konnte, keinen Durchgang gab, in den man hätte abbiegen können, nur einen großen Wandteppich mit einem Einhorn darauf. Zu den Füßen des Einhorns saß friedlich eine kleine goldene Katze, und rechts von den beiden befand sich ein edler Ritter, der den Kopf elegant nach vorne geneigt hatte.
Da lang!
Die Stimme trieb mich weiter, und ich gehorchte ihr zweifelnd, doch anstatt mir den Kopf an festem Kalkstein zu stoßen, fand ich mich zu meiner Überraschung in einer kleinen Nische wieder, die sich hinter dem Wandteppich verbarg.
Da oben, sagte die Stimme.
Ich schaute hoch und sah in den Kalkstein eingelassene Metallsprossen, die in die Dunkelheit hinaufführten. Ich folgte der Stimme, ohne auch nur einen Moment lang darüber nachzudenken, was dort oben auf mich warten mochte.
Beeil dich!, beschwor mich die Stimme. Beeil dich!
Ich schwebte empor, an der Metallleiter entlang, und stellte dabei fest, dass in jede einzelne Sprosse ein anderes Zeichen eingraviert war. Nur zwei davon konnte ich deuten, nämlich die einfachen: Einhorn und Schlange. Die anderen waren komplizierter
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