Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Halten gefährlich, und den Straßenschildern zufolge war sie ihrem Ziel recht nahe. Also kutschierte sie weiter, und als sie die richtige Einfahrt erreichte, überholte das schwarze Auto sie schnell, während sie abbog.
Nachdem sie die Straße verlassen hatte, blieb Janie einen Moment im Wagen sitzen und dachte über das nach, was sich gerade angedeutet hatte. Bekümmert stellte sie fest, daß sie zitterte; was als kleiner privater Scherz begonnen hatte, war allzu real geworden. Sie stieg aus und sah sich ein paar Minuten um, um ruhiger zu werden. Die Gegend war schön und abgelegen, und nach dem rustikalen Aussehen des Hauses hatte sie das Gefühl, ihr elektronischer Kumpan werde seiner menschlichen Bewohnerin nicht willkommen sein. Sie verstaute V. M. also sicher im verschlossenen Kofferraum des Volvo.
Als sie schließlich eintrat, begrüßt von einer anmutigen, lächelnden Linda Horn, fand sie sich in einem lichtdurchfluteten Raum mit perfektem Klima wieder, feuchter Luft, dem Geruch von Torf und Hunderten von Schmetterlingen, deren bunte Flügel überall lautlos flatterten. Sie saßen auf den Lampen und Büchern und Nippes; aber die meisten gab es auf der erstaunlichen Sammlung von Pflanzen. Es war, als sei in den niedrigen Bergen von Westmassachusetts wie durch Zauberei ein tropisches Wunderland entstanden. In einer Ecke des großen Raumes sah sie einen glänzenden Computer, dessen Bildschirm leuchtete.
»Meine Güte«, sagte Janie, während sie sich ehrfürchtig umsah.
»Das ist einfach … wunderbar. Aber wie …?«
»Mein Mann ist Ingenieur für Energietechnik«, antwortete Mrs. Horn. »Das hat er alles für mich eingerichtet.«
»Arbeitet er auch für andere Leute?«
Linda Horn lächelte. »Er ist jetzt im Ruhestand. Tut mir leid.«
»Also, wenn er jemals beschließt, seinen Ruhestand zu unterbrechen, werde ich seine erste Kundin sein.«
Die Frau lachte leise und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Es gibt einfach mal einen Punkt, wissen Sie.«
Ein kleiner, hellblauer Schmetterling landete auf Janies Schulter.
»Ja, das kann ich verstehen. Eine wundervolle Zuflucht haben Sie sich da geschaffen.«
»Es hat auch viel Arbeit gekostet. Wir gehören so einer Art Bewegung an. Von Leuten, die so leben möchten.«
Bewegung. Das war ein Wort aus einer früheren Generation, und es hatte eine gewichtige Nebenbedeutung. »Die Mitglieder müssen aber sehr verschwiegen sein.«
»O ja, das sind wir auch – aber es gibt eine Menge Familien, die sich so einrichten, und wir halten alle Kontakt.« Sie nickte in Richtung des Computers und lächelte. »Hier in der Gegend wohnen etliche Leute, die ziemlich engagiert sind«, erläuterte Mrs. Horn.
Janie sah sich wie hypnotisiert von dem, was sich ihren Blicken darbot, um. »Es muß eine ziemliche Herausforderung gewesen sein, all das in Gang zu bringen. Es ist so – perfekt. «
»Das größte Problem war der Grunderwerb. Sie brauchen mindestens hundert Morgen, um die Genehmigung für eine Anlage wie die unsere zu bekommen. Während unserer Ehe haben wir immer wieder ein paar Morgen dazugekauft, sonst wäre es uns nicht gelungen. Die Sonnenkollektoren nehmen nicht soviel Platz ein, aber die Windmühlen brauchen eine bestimmte Lage.«
Janie, die noch immer herumschaute, sagte: »Ich beglückwünsche Sie dazu. Es ist wirklich erstaunlich. So eine Lebensweise hat mich immer angezogen. Aber ich habe es nie geschafft, sie auch nur annähernd zu erreichen. Ich hatte einfach – zuviel zu tun.«
»Es ist nie zu spät«, tröstete Linda Horn.
»Oh, ich glaube nicht, daß ich je so etwas erleben werde, jedenfalls nicht in der näheren Zukunft. Aber der Grund, warum ich Sie sehen wollte, ist …«
Sie erklärte langsam und sorgfältig.
Lindas Stirn kräuselte sich, und kleine Falten erschienen darauf.
»Ich habe mich schon gefragt, wann wohl jemand anfangen würde, sich für die ganze Sache zu interessieren.«
Janie knabberte lautlos an einem Zitronenkeks, während Linda Horn alle Details des Vorfalls in Camp Meir schilderte.
»Labortests zeigten, daß einige der Sommergäste giardia lambda im Blut hatten. Und die Wasserproben aus dem Teich ergaben, daß das Wasser verseucht war. Aber wir selbst haben nie etwas gefunden. Auch die Blutuntersuchungen wurden woanders gemacht.«
Janie fragte sich, warum – man konnte das als Nachlässigkeit auslegen. »Gab es dafür einen bestimmten Grund?«
»Ich habe für die Stadt gearbeitet, aber in so einer
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