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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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hatte sie erwartet, die zu einer netten Zerstreuung hätten führen können, einen interkulturellen Austausch der Ansichten, wie die Oberfläche eines Meeres auszusehen hatte – aber es sollte nicht sein.
    Sie hatte dieser Reise mehr als zwiespältig gegenübergestanden; doch jetzt schienen die Spannungen zwischen ihr und Bruce plötzlich vergessen, unbedeutend in dem Wissen, daß sie etwa in einer Stunde tatsächlich die Hand ausstrecken und ihn berühren würde.
    Vier Monate war es her. Das Flugzeug legte sich erneut in die Kurve und richtete sich dann wieder auf; beim Landemanöver konnte Janie die verlassenen schwarzen Strände von Islands Südküste erkennen. In der Ferne erhoben sich unwahrscheinlich dicht am Ufer die hohen Türme eines Geothermalwerks, die viel tödlicher und unheildrohender aussahen, als sie waren. Dampfwolken standen in der ansonsten kristallklaren Luft wie Wattebäusche. Als das Flugzeug tiefer sank, war Janie entzückt über das plötzliche Erscheinen der pastellbunten Häuser und Geschäfte von Reykjavik.
    Eine Reisetasche war alles, was Icelandic Air Touristen gestattete, und so hatte sie Schichten von Kleidung übereinandergezogen. Als sie aus dem Flugzeug und ihrem Kunstfaseroverall gestiegen war, dachte sie, sie müsse wie ein wandelnder Wäschekorb aussehen. In dem Overall hatte sie geschwitzt, und feuchte Haarsträhnen klebten an ihren Schläfen. Bei einem raschen Rundblick sah sie nirgends einen Sanitärraum, den sie auf einmal dringend brauchte. Bevor sie die Zollkontrolle passiert hatte, konnte sie die Schlange nicht mehr verlassen.
    Dieses Mal war ihre Tasche eine der ersten auf dem Karussell; also riß sie sie rasch hoch und rannte förmlich zur Inspektion, wo ihr Computer und ihr Handy anstandslos durch den Scanner kamen. Ihr Visum war einwandfrei, die Hotelreservierung bestätigt, ihr Paß gestempelt. Daher mußte sie nur noch die Hand auf den Sensor legen und weitermarschieren.
    Schon hatte sie den Arm ausgestreckt, zog ihre Hand dann aber für ein oder zwei Sekunden wieder zurück – denn in ihr schrillten Alarmglocken, und ihre Paranoia holte sie ein.
    Mach dir darüber keine Gedanken, hatte Tom sie beschwichtigt. Er hatte steif und fest behauptet, sie wäre in keinerlei legaler Gefahr, wenn sie nach Island reiste. England besitzt dort keine Gerichtshoheit. Sie können nur registrieren, daß du da warst, und dich durch die Sperre schicken. Festhalten oder verhaften werden sie dich nicht oder dir sonstwie lästig fallen.
    Etwas weniger überzeugt hatte er dann hinzugefügt: Und jetzt ab mit dir – mach dir eine schöne Zeit.
    Sie hob die Hand an den Sensor. Ein Lichtblitz traf ihre Handfläche, und sofort öffnete sich eine elektronische Sperre. Janie schob sich mit ihrer Reisetasche hindurch, bog um die Ecke und erblickte Bruce. Nach einem heftigen Schlucken rannte sie auf ihn zu.
    Das Hotel bestand aus Beton, der im Gegensatz zu Holz und Metall in Island leicht zu haben war; doch passend zu den meisten Bauten in Reykjavik war es in einer weichen, fröhlichen Farbe gestrichen, in diesem Fall buttergelb mit rosenfarbenen Rändern. Das Zimmer, das man ihnen zeigte, war ebenso angenehm, sparsam, aber komfortabel möbliert und im übrigen fast schmucklos. Auf dem schwedisch blauen Eisenbett und unter der weichen Decke in Regenbogenfarben aus isländischer Wolle erkannten Janie und Bruce einander zum erstenmal seit vielen Monaten in mehr als zwei Dimensionen wieder.
    Als sie um zehn Uhr abends aufwachten, stand die Sonne tief am Himmel, war aber noch sichtbar. Sie hing dicht über dem Horizont, sandte gleichsam waagerechte Strahlen aus, und die Schatten schienen sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken. Als Janie wieder zu sich kam, betrachtete sie Bruces eckiges Gesicht und entdeckte Dinge wieder, die sie vergessen hatte seit ihrer letzten Begegnung. Das kräftige lockige Haar – war es eine Spur grauer als voriges Mal? Die dunklen, dichten Wimpern, die so unschuldig fast bis auf die Wangenknochen reichten, wenn seine Augen geschlossen waren, und ihr den Atem raubten, wenn er diese öffnete …
    Ein oder zwei graue Haare in seinen Brauen, eine kleine Narbe direkt unter der Unterlippe … Sie berührte sie mit einer Fingerspitze, und er bewegte sich.
    »Ich weiß, du hast es mir schon mal gesagt«, drängte sie, »aber woher hast du die?«
    Seine Augen waren noch immer geschlossen, aber er lächelte und sagte: »Als kleines Kind war ich in der Skischule. Der Zahn ging

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