Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Minnesota.
Es handelte sich meistens um städtische Familien, größtenteils im Osten angesiedelt. Die Mehrheit befand sich zwischen New York City und ihrer eigenen Gegend in Westmassachusetts.
Alle Nachnamen klangen jüdisch. Keiner der Eltern hatte das Problem, das die Söhne aufwiesen – anscheinend war es erst in der gegenwärtigen Generation aufgetaucht.
Mit einigen von ihnen würde sie reden müssen.
Das Handy an ihrem Gürtel summte und riß sie aus ihrer Konzentration. Sie beantwortete den Anruf schnell und lauschte ein paar Augenblicke. Dann schaltete sie ihr Programm auf Wartestellung. Der Affenmensch erwartete sie zu einer Audienz.
»Da steht noch immer dieser Bericht über die katholischen Päpste aus«, fing er an.
»Ich war ziemlich beschäftigt, Chet.«
»Womit?«
»Mit der Arbeit, die von mir erwartet wird, was denn sonst?«
»Ich hab ja nur gefragt«, lenkte er ein. »Ich möchte nicht, daß Sie Dummheiten machen.«
Ungnädig fuhr sie ihn an. »Chet, alles, was ich in diesem Job mache, ist dumm.«
Malin schien schockiert, daß sie ihm die Stirn bot, und einen Augenblick war er sprachlos. »Nun«, faßte er schließlich zusammen, »passen Sie gut auf. Unautorisierte Dummheiten können Sie in große Schwierigkeiten bringen.«
»Das werde ich mir unbedingt merken.«
Auf die Genehmigung ihres Arbeitgebers verzichten zu müssen war unglaublich frustrierend. Die Arbeit, die sie entdeckt hatte, war etwas, in das sie sich verbeißen konnte, etwas, das immer faszinierender aussah. Sie beschloß, selbst mit den Familien Kontakt aufzunehmen, da sie dachte, ein Gespräch würde vielleicht zu einer Erkenntnis führen und ihr den Weg zu einem Konzept ebnen. Wie alle guten Ärzte, ob sie ihren Beruf nun ausübte oder nicht, wußte Janie, daß der beste Anfang für die Behandlung irgendeines Patienten dessen vollständige Anamnese war. Und es gab eine Menge Fragen zu stellen, weil sie sich durch eine Datenausweitung nicht beantworten ließen.
Das rechtfertigte ganz bestimmt eine Fahrt zu Abraham Prives, vielleicht nicht in Chet Malins bösen kleinen Knopfaugen, aber … sie würde sich von ihm nicht unterkriegen lassen.
Als sie das Jameson Memorial erreichte, trat sie auf dem üblichen Weg ein, nämlich über die Notaufnahme, weil dort Gewebeproben abgeholt werden mußten und es der kürzeste Weg zum Zimmer des Prives-Jungen war. Wie immer herrschte geschäftiges Treiben. Zu beiden Seiten des langen Ganges, der zum Hauptgebäude der Hospital-Anlage führte, lagen kleine Kabinen, jede mit einer eigenen verschließbaren Tür und undurchsichtigem Vorhang. Janie blickte von einer Seite zur anderen, als sie durch den Gang eilte, und sah Kinder mit Gipsverbänden, alte Leute mit Infusionsschläuchen, einen Mann, der eine Art Bauarbeiter zu sein schien, mit blutigen Mullbinden an den Händen, also die übliche Auswahl an Krankheiten.
Und dann waren da die Cops in den grünen Schutzanzügen, die jemanden festhielten …
Sie blieb stehen. Das war nicht die übliche Prozedur, erkannte sie, als sie in die Kabine starrte. Sicher gab es Gründe, warum sich jemand auf dem Boden einer Kabine in der Notaufnahme in Krämpfen wand. Aber die Biocops ließen die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Einem von ihnen fiel die unbefugte Zuschauerin auf, mit einem schnellen Griff schloß er den undurchsichtigen Vorhang.
Janie rannte den Rest des Korridors hinunter, aber sie wagte erst zu atmen, als sie im Aufzug stand.
Wenn das MR Sam war, dann wird dieser Raum verschlossen bleiben, bis sie ihn völlig abreißen, dachte sie, während sie aufwärts fuhr. Oh, bitte, betete sie im stillen, laß es nicht das sein.
Als sie in Abrahams Stockwerk anlangte, setzte sie sich auf einen Stuhl im Warteraum, um wieder Luft zu bekommen. Dann ging sie aufrecht und ruhig zum Zimmer des Jungen.
Mrs. Prives befand sich genau da, wo Janie sie kennengelernt hatte. Sie saß auf einem Stuhl neben dem Bett und sprach mit ihrem Sohn, der nicht reagierte.
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen«, war alles, was sie auf den Schwall von Fragen antwortete, mit denen Mrs. Prives sie sofort überfiel. »Bis jetzt habe ich noch keine Mittel aufgetrieben, aber ebensowenig die Suche aufgegeben. Das dauert seine Zeit.«
»Alles scheint seine Zeit zu dauern.«
»Ich weiß. Für Sie muß das schwierig sein.« Sie verstummte vorübergehend. »Was sagen Ihnen Abrahams Ärzte?«
»Daß sie im Augenblick nicht viel für ihn tun können,
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