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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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würde ich dich dann brauchen?«
    Mit nüchterner Anwaltsmiene breitete Tom seine Serviette aus. Janie konnte fast hören, wie er bis zehn zählte. Dann richtete er sich wieder auf und sammelte sich; seine Erwiderung erfolgte gemessen und beherrscht.
    »Du brauchst mich nicht – es sei denn, dir liegt daran, wie der Rest deines Lebens verläuft. Wenn du mit deiner gegenwärtigen beruflichen Situation glücklich bist, brauchst du mich freilich nicht. Wenn du mit Telefonsex in London zufrieden bist, dann brauchst du mich auch nicht, obwohl du, wie ich dir schon sagte, bezüglich der Einreiseerlaubnis mit einem anderen Anwalt vielleicht bessere Erfolgsaussichten hättest. Wenn du absolut sicher bist, daß das, was in London passiert ist, nicht noch mehr Konsequenzen haben wird …«
    Er hielt einen Augenblick inne und überlegte; Janie machte erst recht nicht den Mund auf. »Weißt du, welche Frage auf der Liste derer, die ein Anwalt einem Mandanten nie stellen darf, ganz oben steht?« sagte er schließlich.
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Verzeihung. Ich sag’s dir trotzdem. Sie lautet: ›Haben Sie’s getan?‹ Und ich sage dir auch warum. Wir wollen es nämlich nicht wissen. Wenn uns dann jemand löchert: ›Herr Anwalt, ist Ihr Mandant schuldig?‹, können wir etwas anderes sagen als ›Kein Kommentar‹, nämlich so etwas wie ›Persönlich weiß ich gar nichts.‹«
    »Tom!«
    »Wenn jemand von Biopol nach all deinen kleinen, unerlaubten Ausflügen in die Datenbank fragt, die, wie du sicher weißt, unter erheblicher Strafandrohung stehen, kann ich wahrheitsgemäß sagen, daß ich davon keine persönliche Kenntnis besitze.« Ärgerlich legte er eine Pause ein, um seine Gedanken zu ordnen. »Ich kann nicht glauben, daß Caroline da mitgemacht hat.«
    »Sie schien es nicht für besonders riskant zu halten.«
    »Natürlich ist es das. Bei diesen Aasgeiern von Biopol kann es gar nicht anders sein.«
    Janie wartete eine Minute, bis sich der unerwartete emotionale Wirbel gelegt hatte, und sagte dann: »Es tut mir leid, aber mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, etwas vor dir zu verheimlichen. Wir hatten nie Geheimnisse voreinander.«
    »Hatten du und Harry Geheimnisse, als ihr verheiratet wart?«
    »Na ja, natürlich, ein paar.«
    »Siehst du!« Das klang wie sein letztes Wort.
    Einen Moment lang war Janie versucht, Tom daran zu erinnern, daß einige der Geheimnisse, die sie vor seinem Tod vor Harry gehabt hatte, Dinge waren, die sie mit Tom selbst teilte – bittersüße Indiskretionen, von denen sie einige lieber vergessen hätte, Dinge, von denen Tom wußte, weil er dabeigewesen war. Ein hastig ausgedrückter Joint, eine im rechten Moment weggeworfene Bierflasche. Flehentliche Bitten an einen Polizisten, der Janie und Tom auf einer verlassenen Farmstraße im geparkten Auto erwischt hatte; damals gab es noch Farmen in der Gemeinde, in der sie zusammen aufgewachsen waren, und so etwas wie moralbeflissene Bürger. Die Demütigung, aus dem Wagen aussteigen zu müssen, nur teilweise bekleidet, während der Polizist mit seiner Taschenlampe ihre jungen Körper von oben bis unten anstrahlte, während sie sich zu Tode schämten. Oder eine Decke an einem Strand in Wellfleet, während es dämmerte und meilenweit der einzige andere Mensch ein einsamer und ziemlich beschäftigter Surfer war. Mit jugendlicher Wonne und Ehrfurcht hatten sie einander an den geheimsten Stellen berührt …
    Doch im Augenblick schien es keine gute Idee, die Vergangenheit zu beschwören. »Na ja, wie auch immer, jetzt weißt du’s.«
    »Ja«, sagte er unglücklich. »Und es gefällt mir nicht. Sei vorsichtig, wenn du da herumstocherst. Bitte. Du weißt nie, wer dich im Visier hat.«
    Sie wußte nicht genau, was er meinte. Aber sie gelobte Gehorsam. »Ich werde vorsichtig sein. Versprochen.«

    Sobald sie ihre dringendsten Arbeitsverpflichtungen aus dem Weg geräumt hatte, öffnete Janie das Datenprogramm ihres Computers bei der Stiftung. Sie sagte alle nötigen Zauberformeln auf, und auf dem Bildschirm erschien eine mit roten Punkten durchsetzte Landkarte. Jeder Punkt markierte den Wohnort eines ihrer »Probanden«.
    Blinzelnd betrachtete sie die Karte. Sie zeigte die gesamten Vereinigten Staaten, aber die Punkte waren mit wenigen Ausnahmen alle im Nordosten. Ein oder zwei lagen an der Westküste in Greater Los Angeles, eine Handvoll in der Gegend von Chicago. Im Mittelwesten leuchtete allerdings auch ein Punkt auf, und zwar in St. Paul,

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