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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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Fenchurch Station in London. Er war ihr mehrfach gefolgt, daher kannte er ihren Weg genau.
    Er beobachtete, wie sie im Haus verschwand. Das Licht in der Diele ging an. Da die hübsche, rot lackierte Haustür der Wards ein rautenförmiges Fenster in der Mitte aufwies, konnte man von der Straße aus durch den Flur hindurch bis in die gegenüberliegende Küche blicken. Einmal hatte er durch dieses praktische Fenster beobachtet, wie sich Gillian morgens erneut an den Frühstückstisch gesetzt hatte, nachdem ihre Familie schon verschwunden war, wie sie sich noch eine Tasse Kaffee eingeschenkt und diese dann in langsamen, kleinen Schlucken leer getrunken hatte. Neben ihr hatte die Zeitung gelegen, aber sie hatte nicht hineingeschaut. Sie hatte nur an die gegenüberliegende Wand gestarrt. Damals hatte er zum ersten Mal gedacht: Sie ist nicht glücklich!
    Dieser Gedanke hatte ihn geradezu schmerzhaft getroffen, denn die Wards waren ihm lieb geworden. Sie passten absolut nicht in das Muster der Menschen, die er bevorzugt beschattete, nämlich alleinstehende Frauen, und er hatte sich schon recht beunruhigt gefragt, weshalb er sich trotzdem an ihnen festgebissen hatte. An einem Sommerabend, an dem er sich in den Straßen herumgedrückt und in den Garten der Wards gestarrt, die kleine Familie lachend und plaudernd beim Grillen auf der Terrasse beobachtet hatte, war ihm plötzlich die Erleuchtung gekommen: Sie waren perfekt. Das zog ihn so magisch an. Die absolut perfekte Familie. Der gut aussehende, gut verdienende Vater. Die attraktive, intelligente Mutter. Das hübsche, lebhafte Kind. Der niedliche schwarze Kater. Ein schönes Haus. Ein gepflegter Garten. Zwei Autos. Kein Reichtum, kein Geprotze, aber solider Mittelstand. Eine Welt, die in Ordnung war.
    Die Welt, von der er immer geträumt hatte.
    Die Welt, in die er nie gelangen würde, aber er hatte festgestellt, dass es ihn tröstete, wenigstens als Zaungast an ihr teilzunehmen.
    Er trat näher an das Haus heran, direkt an das Gartentor, und versuchte, in die Küche zu spähen. Tatsächlich konnte er Gillian sehen, die am Tisch lehnte. Aha, sie hatte sich wieder einmal einen Kaffee nachgeschenkt. Hielt den dicken Keramikbecher in den Händen, trank mit diesen kleinen, nachdenklichen Schlucken, die er schon einmal beobachtet hatte.
    Worüber dachte sie bloß immerzu nach? Sie schien oft ganz versunken in ihre Gedanken.
    Er ging eilig weiter, er konnte es sich nicht leisten, allzu lange an einer Stelle zu verharren, jedenfalls nicht mitten auf der Straße. Zu gern würde er herausfinden, worin Gillians Kummer bestand, und ihm war klar, warum: weil er hoffte, sich dann selbst beruhigen zu können. Es musste etwas Vorübergehendes sein. Nichts, bitte nichts, was mit ihrer Ehe, mit ihrer Familie zu tun hatte. Vielleicht waren ihre Mutter oder ihr Vater krank und sie machte sich Sorgen. Irgendetwas in dieser Art.
    Er lief die Thorpe Hall Avenue hinunter, an den langgestreckten Parkanlagen und Tennisplätzen von Thorpe Bay Garden vorbei, überquerte die Thorpe Esplanade, wo der hektische frühmorgendliche Verkehr nur langsam abflaute, und war nun am Strand. Der kalt, verlassen und winterlich vor ihm lag. Keine Menschenseele war zu sehen.
    Er atmete tief durch.
    Er fühlte sich so erschöpft wie andere nach einem langen und harten Arbeitstag, und er wusste, woran das lag: daran, dass er Gillian gesehen hatte. Dass er ihr fast direkt begegnet wäre. Dieser Umstand, auf den er sich zuvor nicht hatte einstellen können, hatte ihn emotional so sehr gestresst, dass er, wie ihm jetzt nachträglich erst klar wurde, geradezu im Laufschritt an den Strand geeilt war. Nur fort. In die Stille. Dort konnten sich seine Nerven beruhigen.
    Er beobachtete so viele Menschen. Prägte sich ihre Tagesabläufe ein, ihre Gewohnheiten, versuchte, ihre genauen Lebensumstände zu ergründen. Er hätte niemandem erklären können, was ihn so sehr daran faszinierte, aber es war wie ein Sog, in den man geriet. Es war unmöglich, aufzuhören, wenn man einmal damit angefangen hatte. Er hatte von Computerfreaks gelesen, die sich im Second Life ein Parallelleben aufgebaut hatten, und tatsächlich schienen diese Menschen und das, was sie antrieb, am stärksten mit ihm selbst verwandt zu sein. Ein Leben neben dem eigentlichen Dasein. Schicksale, in die man sich hineinträumen konnte. Rollen, in die man schlüpfte. Manchmal war er der erfolgreiche Thomas Ward mit dem schönen Haus und dem teuren Auto. Manchmal war er

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