Beobachter
Mutter Kontakt zu ihm?«
»Nein.« Keira schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht einmal, wo er sich aufhält. Er hatte eine Firma, die mit Baustoffen handelte, und wir haben immer gut gelebt und dachten, es sei alles in Ordnung. Aber dann stellte sich heraus, dass er völlig verschuldet war. Alles brach zusammen, und er setzte sich schließlich wohl ins Ausland ab – auf der Flucht vor seinen Gläubigern.«
»Zuvor wurden Ihre Eltern aber noch geschieden?«
»Ja. Als die Pleite offensichtlich wurde, flog auch das Verhältnis meines Vaters mit einer jüngeren Mitarbeiterin auf. Meine Mutter reichte sofort die Scheidung ein.«
»Dass Ihr Vater sich im Ausland aufhält, wissen Sie aber nicht sicher?«
»Nein. Wir haben das nur vermutet.«
»Aber Sie wissen, dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Ihrer Mutter hatte?«
»Ja. Das hätte sie mir sonst sofort erzählt.«
Fielder machte sich eine Notiz. »Wir werden versuchen, Ihren Vater ausfindig zu machen. Kennen Sie Namen und Adresse seiner damaligen Geliebten?«
Keira schüttelte den Kopf. »Mit Vornamen heißt sie, glaube ich, Clarissa. Den Nachnamen weiß ich nicht mehr. Ich wohnte damals nicht mehr bei meinen Eltern, sondern studierte in Swansea. Ich habe nicht allzu viele Details mitbekommen. Ich meine … «, unvermittelt begann sie zu weinen. »Meine Mutter rief mich damals oft an«, schluchzte sie. »Sie war verzweifelt, weil ja ihr Leben zusammenbrach. Mein Vater hatte sie jahrelang mit einer anderen Frau betrogen, und nun war auch noch das ganze Geld weg, und das Haus wurde zwangsversteigert … Es ging ihr sehr schlecht, aber ich habe sie häufig abgewimmelt. Ich wollte … ich wollte irgendwie nichts mit alldem zu tun haben …« Sie weinte heftiger.
Greg trat an sie heran und strich ihr mit einer unbeholfenen Bewegung über die Haare. »Mach dir doch nicht so viele Vorwürfe. Du warst im Studium, du hattest dein eigenes Leben. Du konntest dich nicht um die Probleme deiner Eltern kümmern.«
»Ich hätte mehr für meine Mutter da sein müssen. Damals und auch jetzt. Dass sie tagelang ermordet in ihrer Wohnung liegt, und keiner merkt es! Das hätte nicht passieren dürfen!«
Nebenan begann das Baby zu wimmern. Fast ein wenig erleichtert verließ Greg das Zimmer. Die Situation überforderte ihn, aber schließlich, dachte Fielder, war das kein Wunder. Etwas Unfassbares war in das Leben der Jones’ eingebrochen. Sie würden sich nie wirklich davon erholen.
Keira zog ihre Handtasche zu sich heran, holte ein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase.
»Er war auch nie sehr erpicht darauf, meine Mutter zu besuchen oder einzuladen«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu der Tür hin, durch die ihr Mann verschwunden war. »Er arbeitet hart, und an den Wochenenden sucht er Entspannung … Wissen Sie, meine Mutter war nicht gerade ein Mensch, der gute Laune um sich verbreitete. Sie jammerte furchtbar viel. Wegen der Scheidung, der Pleite, wegen allem. Sie konnte dadurch sehr … anstrengend sein. Meiner Ansicht nach tat sie sich deshalb auch so schwer, Freunde zu finden. Die meisten Leute … ertrugen sie nach einer Weile einfach nicht mehr. Es klingt furchtbar, was ich sage, oder? Ich will nicht schlecht über sie reden. Außerdem … egal, wie sehr sie anderen auf die Nerven gehen konnte … nie hätte sie einen solchen Tod verdient. Nie!«
Fielder betrachtete sie mitfühlend. Er hatte die tote Carla Roberts gesehen. An Händen und Füßen mit Paketklebeband gefesselt, hatte sie in ihrem Wohnzimmer gelegen. Der Täter hatte ihr ein zusammengeknäultes Stück Stoff in den Rachen gestoßen, ein kariertes Küchengeschirrtuch, wie sich herausstellte. Die erste Untersuchung hatte ergeben, dass sich Carla Roberts daraufhin offenbar hatte erbrechen müssen und mit aller Kraft versucht hatte, das Tuch aus ihrem Mund zu würgen.
»Was ihr hätte gelingen müssen«, hatte der Rechtsmediziner noch am Tatort gesagt. »Für mich sieht es so aus, als habe der Täter das Tuch mit der Faust so lange in ihren Rachen gepresst, bis sie an ihrem Erbrochenen erstickt war. Es muss ein grausamer Todeskampf gewesen sein.«
Fielder hoffte, dass Keira ihn nie nach diesen Details fragen würde.
»Mrs. Jones«, begann er, »Sie sagten gestern bereits, dass Sie, nachdem auf Ihr wiederholtes Klingeln niemand öffnete, mit dem Zweitschlüssel selbst die Wohnung Ihrer Mutter aufgesperrt haben. Wie sind Sie zuvor ins Haus hereingekommen? Haben Sie für die Eingangstür auch
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