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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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war mit ihm bei allen nur denkbaren Ärzten gewesen, hatte alles ausprobiert, riet von Cortison aufgrund eigener schlechter Erfahrungen dringend ab, konnte aber Salben und Globuli empfehlen und kannte sich überhaupt auf dem ganzen Gebiet hervorragend aus.
    »Hat Becky auch Allergien?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte Gillian und schluckte die Antwort hinunter, die ihr eigentlich auf der Zunge lag: Mir scheint, sie ist allergisch gegen mich. In der letzten Zeit gibt es kaum noch ein gutes Wort zwischen uns. Ich wünschte, es wäre etwas anderes, eine Allergie gegen Gräserpollen, Hausstaubmilben oder Lactose. Ich wüsste dann einen Ansatz. So aber habe ich gar keinen.
    Sie sagte es nicht, spürte aber, wie dicht sie davor gestanden hatte, den Worten freien Lauf zu lassen, und erschrak darüber. Das hier war eine wildfremde Frau, mit der sie nichts anderes verband als die Tatsache, dass ihre beiden Kinder in derselben Handballmannschaft spielten, und um ein Haar hätte sie ihr den Kummer anvertraut, von dem sie in den letzten Wochen das Gefühl hatte, er werde ihr das Herz brechen.
    Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Sie beschloss, am späteren Abend ihre Freundin Tara Caine anzurufen. Tara war treu und zuverlässig, und Gillian wusste, dass sie nichts von dem, was sie erfuhr, weitertratschte.
    Die andere Mutter – deren Namen Gillian noch immer nicht kannte – nahm einen tiefen Schluck von ihrem Sekt und wechselte endlich das Thema. »Sieht Burton nicht wieder fantastisch aus?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme.
    Gillian suchte den Raum ab und entdeckte John Burton, den Trainer, der inmitten einer Traube von Müttern am Bartresen lehnte und vermutlich Rede und Antwort zu den Fortschritten der Kinder stehen musste. Wenn ihn die Situation stresste, so war ihm das nicht anzumerken. Allerdings war sie für ihn auch nicht ungewöhnlich. Gillian sah jedes Mal, wenn sie Becky zum Training brachte oder abholte, wie die Frauen ihn umlagerten. Das mochte damit zusammenhängen, dass sie tatsächlich über jedes noch so unbedeutende Vorkommnis in der Mannschaft informiert sein wollten. Zweifellos hatte es aber auch mit Burtons Wirkung auf Frauen zu tun. Er sah gut aus, aber vor allem umgab ihn die Aura einer geheimnisvollen Vergangenheit: Es hieß, er sei bei der Polizei gewesen und habe dort eine Blitzkarriere hingelegt, sei aber bereits im Alter von siebenunddreißig Jahren unter mysteriösen Umständen, deren Hintergrund niemand herausfand, dort ausgeschieden. Er hatte dann eine private Wachgesellschaft gegründet, beschäftigte gut zwei Dutzend Mitarbeiter und organisierte hauptsächlich Gebäudewachdienste und Personenschutz. Er lebte und arbeitete in London, kam jedoch zweimal in der Woche hinaus nach Southend, um zwei Jugendmannschaften im Handball zu trainieren; einige Spieler hatte er sich bewusst aus sozialen Brennpunkten der Stadt zusammengesucht. Er hielt Sport, insbesondere einen Mannschaftssport, für die effektivste präventive Maßnahme, das Abgleiten gefährdeter Jugendlicher in die Kriminalität zu unterbinden. Gillian hatte einmal zufällig gehört, wie er dies einigen Müttern erklärte, die atemlos an seinen Lippen hingen. Besonders für die Frauen aus gutbürgerlichem Milieu war er ein Held, ein Retter, ein Kämpfer. Gillian konnte sich vorstellen, wie sehr sie ihn romantisierten.
    Vermutlich, dachte sie, ist er in Wahrheit überhaupt nicht das, was sie in ihm sehen.
    Aber sie musste zugeben, dass er attraktiv war. »Ja«, antwortete sie daher schließlich, »er sieht schon ziemlich gut aus.«
    »Ziemlich gut? Ich muss immer aufpassen, keine unanständigen Fantasien zu entwickeln, wenn ich ihn sehe. Komisch, dass einer wie er keine Frau hat.«
    »Vielleicht hat er jede Menge Verhältnisse.«
    »Aber eines seiner Verhältnisse würde dann doch mal hier aufkreuzen. Mal zuschauen oder ihn abholen oder irgendetwas. Es ist schon merkwürdig. Ich habe ihn noch nie mit einer Frau zusammen gesehen.«
    »Er will sein Privatleben eben hier nicht ausbreiten«, meinte Gillian. Sie konnte das gut verstehen. Die Weiber hier sind wie die Geier, dachte sie.
    »Ich finde das trotzdem seltsam«, beharrte die andere. »Wie so manches an ihm.«
    Gillian wollte nicht wissen, was sie damit meinte, und erwiderte nichts, was ihre Nachbarin natürlich nicht davon abhielt, dennoch ihre Ansichten darzulegen.
    »Ich wüsste schon gerne, wieso er bei der Polizei gehen musste. Er war bei Scotland Yard! Das ist eine Karriere, die

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