Beraten, Trainieren, Coachen
sich zunächst verteidigt: Das erhaltene Feedback und die Ideen arbeiten häufig weiter. Nicht selten haben wir erlebt, dass bei der Nachbetrachtung eines längeren Coaching-Prozesses der Coachee am Ende bemerkte: „ Als Sie das zu mir gesagt haben, hat das zwar damals ganz schön weh getan. Nachdem ich aber einige Male darüber geschlafen hatte, hab ich es plötzlich verstanden – und das war die Situation, die mich mit Abstand am meisten weitergebracht hat .“
Das Prinzip des „Vorausgehens“ – die Bergsteigerrolle des Coachs – funktioniert übrigens nicht nur im Coaching, sondern auch in vielen Trainings- und sogar Führungssituationen. Es ist immer wieder überraschend, wie viele gestandene Führungskräfte und Mitarbeiter sich nach Feedback zehren und sich wünschen, endlich mehr darüber zu erfahren, wie sie wirken, wie ihre Arbeit war oder wie sie im Vergleich zu anderen da stehen. So berichtete eine Klientin aus einer Behörde in einem Gespräch: „Ich habe seit zwanzig Jahren von meinem Chef keine Rückmeldung mehr bekommen – weder positiv noch negativ …“
Selbststeuerungsmodell 3: Beratungsdimensionen
Die Grundidee des Modells: Das Selbststeuerungsmodell „Beratungsdimensionen“ hilft dabei, sich bewusst zu machen, auf welche Dimensionen man während eines Gesprächs achten kann und sollte. Dabei wäre man als Coach schnell überfordert, würde man versuchen, zu viele Dimensionen gleichzeitig im Auge zu behalten. Unsere Empfehlung ist es, die verschiedenen Dimensionen gelegentlich vor dem geistigen Auge in einer Coaching-Session ablaufen zu lassen, sie wie eine Checkliste durchzugehen. Dabei sollte sich der Coach zum einen überlegen, ob auf der entsprechenden Dimension noch alles in Ordnung ist, zum anderen aber auch, ob die Betrachtung und Fokussierung auf die eine oder andere Dimension Mehrwert für die Beratung mit sich bringen könnte.
Wir haben uns die Tatsache bewusst gemacht, dass es bei einem erfolgreichen Training um bedeutend mehr als die Inhalte geht. Teilnehmer wollen vom Trainer unterhalten werden, die Organisation der Rahmenbedingungen muss stimmen, es muss eine Struktur geben, und die Diskussionen sollten anregend sein. Insbesondere passiert während eines Trainings auch viel in der Gruppe. Ähnlich facettenreich geht es im Coaching-Prozess zu. Wer glaubt, in einem Coaching ginge es nur um die Inhalte und das gesprochene Wort, der verpasst als Coach viel, mitunter sogar das Wesentliche.
Die sechs wesentlichen Beratungsdimensionen
Dimension 1: Digitale Ebene, Inhalte
Leitfragen: Um was geht es gerade? Worüber sprechen wir?
Auf die inhaltliche Dimension soll hier nicht weiter eingegangen werden, da sie ohnehin besonders dominant ist. Häufig besteht die Kunst gerade darin, die Inhalte auszublenden, bei Erzählungen des Coachees auch einmal „den Ton herunterzudrehen“ und die Ressourcen auf andere Dimensionen zu fokussieren.
2. Dimension: Rapport
Leitfragen: Wie ist das Verhältnis zwischen dem Coachee und mir? Haben wir eine gute Arbeitsbeziehung? Läuft diese produktiv ab? Akzeptiert er meine Ideen und mich und fühle ich mich weder unter- noch überlegen? Wie viel Vertrauen herrscht zwischen uns? Habe ich noch die richtige Mischung aus „Pacing“ und „Leading“, oder stehe ich zu weit innerhalb oder außerhalb des Systems?
Der Rapport ist eine Art Hygienefaktor. Ohne einen produktiven Rapport wird ein erfolgreiches Coaching nahezu unmöglich.
3. Dimension: Resonanz und Intuition
Leitfragen: Was klingt in mir, wenn ich den Coachee höre? Wie ist das Kraftfeld? Wie wirkt das Ganze? Was sagt die Intuition?
Diese Dimension ist mit Sicherheit am schwierigsten zu beschreiben und zu schulen. Intuition muss sich entwickeln, man muss ihr vertrauen und sie selber ausbauen. Das Phänomen Intuition ist in zahlreichen Abhandlungen beschrieben worden. Als Coach sollten Sie lernen, auf Ihre Intuition zu hören. In der Praxis fällt es Coachs manchmal schwer, sich selber als „Klangkörper“ zu nutzen.
Die Effekte bei der Rückmeldung der eigenen Intuition, z. B. eine Aussage wie „ du sagst das so, aber ich spüre dabei überhaupt keine Begeisterung und Kraft “, haben häufig immense Effekte auf Coachees. Besonders auf sehr theoretisch orientierte, sachliche Menschen, die jede Handlungsoption bereits zahlreiche Male durchdacht und durchgerechnet haben, aber dabei nicht mehr auf ihr eigenes Gefühl hören.
Volker Köhninger, Leiter der systemischen Beratung
Weitere Kostenlose Bücher