Bereue - Psychothriller (German Edition)
zurück auf den Dampfer. Seine Augen glänzten.
Mit einem Nicken nahm sie seinen Vorschlag an und schloss wieder die Augen, um sich von ihren Gedanken davontragen zu lassen.
Stefan war feinfühlig genug, die Klappe zu halten.
Untergehakt spazierte sie neben Stefan am Ufer entlang zum Au ssichtspunkt. Der Blick auf Prien und die Berge war atemberaubend. “Das ist wunderbar”, flüsterte sie und schüttelte Stefans Arm nicht ab, der sich verstohlen um ihre Schultern legte. Sie schlang ihren Arm um seine Taille und lehnte ihren Kopf an seine Brust. Sie spürte seinen schnellen Herzschlag.
Vor zwanzig Jahren war sie mit Ben genauso gestanden. Arm in Arm hatten sie in einträchtigem Schweigen die Sterne bewundert. Und sie hatten sich geküsst.
Stefans Atem streifte ihre Stirn. Seine Nase wühlte sich in ihre Haare.
Mit gesenktem Kopf wand sie sich aus der Umarmung. “Komm, lass uns weitergehen. Ich bin gespannt auf die Ausstellung.”
Jeder andere Mann hätte sie Teufel gejagt. Nicht so Stefan. “Du wirst sehen, was für eine aufregende Zeit das war.”
Nebeneinander schlenderten sie auf das Schloss zu. Sie genoss seine Intelligenz und seinen Wortwitz, seine Sensibilität. Mehr nicht.
Für den hemmungslosen Sex und sinnfreie Filme hatte sie Peter. Für mehr war der Macho nicht zu gebrauchen, er war sensibel wie ein Baumstumpf.
Warum konnte es keinen Mann geben, der alle ihre Bedürfnisse b efriedigte. Sie musterte Stefan von der Seite. Vielleicht gab es sie ja doch, die Liebe auf den zweiten Blick. Sollte sie ihm eine Chance geben? Er würde sie auf Händen tragen.
Wie es Ben gerade ging? Schnell verdrängte sie die Gedanken an ihn und folgte Stefan die Stufen hinauf zum Eingang des Schlosses.
26
Er hätte nicht so viel herumfahren dürfen, der Tank war bald leer, und er hatte nur noch vierzig Euro. Endlich war es nach acht Uhr und er konnte zu seinem Schlafplatz zurück. Die letzten Angestellten fuhren nach Hause zu ihren Familien.
Er parkte den Wagen unter einem der Bäume und griff nach der Pizzaschachtel auf dem Beifahrersitz. Mit einem lauwarmen Bier spülte er die ähnlich temperierte Pizza hinunter. Sechs Euro verlangten sie für einen ordinären Hefeteig mit einem Hauch von Tomatensauce, belegt mit Schinken, der so dünn war, dass man Zeitung hindurch lesen konnte und mit zähem Analogkäse.
Der heutige Tag hatte ihm nicht viel gebracht. Nein, er musste jetzt in anderen Maßstäben denken. Der heutige Tag hatte ihm sein Leben gebracht. Diese Entscheidung war gewichtiger als all der andere Scheiß, mit dem er sich in den letzten Jahren befasst hatte. Das Leben, das nackte Überleben war früher nie ein Thema gewesen. Es war so selbstverständlich gewesen, gesund und lebendig zu sein, genug Geld zu haben, ein Dach über dem Kopf.
Er schaltete das Radio an. Beethovens Klavierkonzert B-Dur Opus 19 quoll ihm entgegen. Nicht heute. Genervt ging er in das Menü und scrollte durch die auf dem USB-Stick gespeicherten Lieder. Er blieb bei Jimi Hendrix’ I don’t live today hängen. Was für ein Gott an der E-Gitarre. Wann hatte er den zum letzten Mal gehört. Wenn das auch keine Einschlafmusik war, passte sie doch zu seiner Stimmung.
Er schloss die Augen und ließ sich von den Klängen davontragen. Zu spät merkte er, dass er nicht mehr alleine war. Und dass er die Türen nicht verriegelt hatte.
Die Fahrertür flog auf. Jemand zerrte ihn am Arm aus dem Wagen. “Hey!”, keuchte er erschrocken, da traf ihn auch schon ein Faustschlag ins Gesicht. Mit dem Rücken knallte er gegen das Auto.
Drei Typen mit Skimasken bauten sich vor ihm auf. Der Kerl links hatte die Arme verschränkt, der in der Mitte ließ ein Butterflymesser auf und zu schnappen, der dritte patschte einen Baseballschläger in seine offene Hand. Träumte er sich durch einen Gangsterfilm? Nein, die Schmerzen waren real.
Sein Herz begann unangenehm gegen sein Brustbein zu hämmern, pochte seinen Hals hinauf bis in den Kiefer, wo der Schmerz pulsierte. Panisch sah er sich um. Der Parkplatz lag verlassen in der Dunkelheit, nur ein paar wenige Lampen erhellten die leere Fläche. Das ganze Industriegebiet war eine Wüste. Da waren nur er und diese drei Männer. “Ich hab nicht mehr viel, aber ich geb euch mein letztes Geld, okay?” Beschwichtigend hob er die Hände. “Und der Wagen. Ihr könnt den Wagen haben.”
Sie regten sich nicht.
“Mein iPhone!”
Das Messer schnappte rhythmisch, der Baseballschläger klatschte in die
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