Bereue - Psychothriller (German Edition)
vorbei. Von einem Moment auf den anderen.
An diesem Nachmittag ging zu Melanie, ihrer besten Freundin um ihr ein geliehenes Buch zurückzubringen. Durch die offene Terrassentür ging sie wie so oft ins Haus nach oben. Eindeutiges Stöhnen scholl ihr entgegen. Melanie hatte schon mit mehreren Jungs geschlafen, also überraschte sie es nicht. Sie wollte das Buch neben die Tür legen und wieder gehen. Doch die Neugier siegte. Ganz langsam schob sie die angelehnte Tür auf. Ein Schrei musste ihr entfahren sein, denn Ben hielt in der Bewegung inne und drehte den Kopf. Seine Haut war mit einem feinen Schweißfilm bedeckt, die kurzen dunklen Locken zerzaust. Sein Blick traf ihr Herz und zerschnitt es.
Wie konnte er ihr das antun. Sie konnte den Blick nicht abwenden. Auch nicht als Ben aufstand und nackt auf sie zu ging. Sein halbaufgerichtetes Ding glänzte feucht. Und er sagte nichts. Kein Wort. Starrte sie nur an. Kein Wort der Entschuldigung, was auch immer das sein sollte.
Durch den Schleier ihrer Tränen sah sie ihre Hand, die in sein Gesicht klatschte. Wenn er nur endlich aufhörte, sie so anzustarren.
Kaum fiel ihre Hand herab, schlug er zurück. Ihr Kopf flog zur Seite. Ihre Haut brannte wie Feuer. Damit zertrampelte er ihr Herz en dgültig. Benommen stolperte sie aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, aus dem Haus.
Sie sah ihn nicht mehr an. Nicht ein Mal versuchte er, sie anz usprechen. Aber was sollte er auch sagen. Es gab keine Entschuldigung. Und so lernte sie ihre Lektion. Nur keinem anderen Menschen zu viele Gefühle entgegen bringen. Aber es gab ja eh kein Herz mehr in ihrer Brust, das sie jemandem hätte schenken können. Wenigstens waren bald Sommerferien. Melanie versuchte ein paar Mal, mit ihr zu reden. Doch es gab nichts zu reden.
Nach den Ferien wechselte sie auf eine andere Schule. Ben oder Melanie noch einmal zu sehen konnte sie nicht ertragen.
Mit den Jahren verblasste die Erinnerung. Doch dann tauchte er wieder auf. Jedes Mal, wenn er ihr selbstzufrieden von Zeitungsfotos entgegengrinste, regte sich ein dumpfer Schmerz, der mit der Zeit in Hass überging. Er hatte sie so sehr verletzt. Sie las in den Artikeln, wie kaltblütig er sich an die Spitze arbeitete. Und doch belohnte ihn das Leben. Wie ungerecht die Welt war.
Und nun lag er auf ihrer Couch. Alte Gefühle wallten auf, es tat so weh, ihn zu sehen und zu wissen, was er für ein Mensch war. Die Mauer ihres Hasses hatte er eingerissen. Sie hatte sich von seiner z urückhaltenden, geradezu schüchternen Art überrumpeln lassen. Doch sie durfte ihn nicht mehr an sich heranlassen. Sie würde ihm helfen, wie sie jedem Menschen helfen würde, der in Not war. Und sonst nichts. Dann würde er aus ihrem Leben verschwinden und alles würde wieder so sein wie früher. Vielleicht konnte sie ja endlich mit der Vergangenheit abschließen.
Was hatte er heute Morgen gesagt? Sie hätte sich so geziert. Verficktes Arschloch.
Eine ekelhaft fröhliche Stimme riss sie aus dem Schlaf. “Und nun für unsere Zuhörer, die auf der Autobahn im Stau stehen: Chasing Cars von Snow Patrol!” Blinzelnd starrte sie an die Zimmerdecke und ließ das Lied auf sich wirken.
Es war fünf nach sechs und kaum Licht drang durch die Vorhänge herein. Ein trüber Tag stand bevor, Regen war angesagt.
Energisch warf sie die Bettdecke beiseite. Nicht mehr einschlafen, befahl sie sich. Kühle Luft empfing sie.
Barfuß tappte sie ins Bad. Im Spiegel begrüßte sie ein gewohnt blasses Gesicht mit bläulichen Schatten unter den Augen. Wie reizend. Sie hatte höchstens drei Stunden geschlafen. Es würde ein harter A rbeitstag werden. “Vielen Dank auch”, zischte sie. Warum nur hatte sie Ben in ihr Leben gelassen. Er würde sie nur wieder in die Hölle werfen. Auch wenn er sich reumütig zeigte, war er doch ein elender Egoist und daran würde sich nichts ändern. “Dumme Kuh”, knurrte sie dem Weibsbild im Spiegel entgegen. War es nur Mitleid mit einer geschundenen Kreatur oder doch was anderes? Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht jetzt. Ihr dünnes Nachthemd landete im Wäschekorb. Daneben stank ein schmutziger Haufen Klamotten vor sich hin. Das konnte er selbst entsorgen.
Erst duschen, dann anfangen zu leben.
Mit halbwegs klarem Kopf tapste sie nackt ins Schlafzimmer zurück. Schwarze Jeans bei dem Wetter, entschied sie. Schwarz war Pflicht für das Personal im Café Alternativ . Ihr Finger glitt über den Stapel mit den T-Shirts. Sie zog das mit dem
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