Bereue - Psychothriller (German Edition)
entlang, bis sie gegen seinen Körper stieß. Er lag auf der Seite, die Beine angewinkelt, die Arme in ihre Richtung ausgestreckt.
Sie legte sich auf die schmutzigen Fliesen mit dem Gesicht zu seinem und lauschte auf seinen tiefen, gleichmäßigen Atem. Mit einer Hand tastete sie an seinen Hinterkopf, dort wo Jakob ihn mit dieser Eisenstange getroffen haben musste. Sie spürte eine heiße Beule, kein Blut. Wenigstens das.
Seine rechte Hand umklammert legte sie ihren Kopf auf den kalten Boden. Die Augen geschlossen hörte sie dem Geraschel und Gekrabbel zu, das um sie herum tobte.
Es hatte nichts Beängstigendes mehr. Vielmehr beruhigte es sie jetzt. War es doch ein Zeichen dafür, dass das Leben erstaunliche Wege fand, sich selbst unter schrecklichsten Umständen durchzusetzen.
Die Geräusche verdichteten sich zu einer Melodie. Tausend Sterne funkelten in der Dunkelheit. Ihr Licht verwandelte sich in das Flackern zahlloser Kerzenflammen. Ben kam auf sie zu. Er trug eine schwarze Jeans. Das Weiß seines Hemdes leuchtete im warmen Ke rzenlicht. Er zog sie an sich und küsste sie. Eng umschlungen tanzten sie zu diesem Lied. An ihrer Brust spürte sie sein Herz schlagen, im gleichen Takt wie ihres.
Ein Stöhnen riss sie aus der Zwischenwelt. Sie musste eingenickt sein. Zwischen ihren Händen fühlte sie eine Bewegung. Ben kam zu sich. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihren eigenen Kampf gegen die Betäubung.
“Annelie”, nuschelte er und hustete.
Sie streichelte sein Gesicht. “Ich bin bei dir.”
Er zuckte zurück, entspannte sich wieder. “Was ist passiert?”
Tränen drückten nach draußen. Sie schluckte sie hinunter. “Du wolltest mich befreien, erinnerst du dich?”
Er brummte zustimmend.
“Jakob hat dich von hinten niedergeschlagen und mit Chloroform betäubt. Und er hat dich an die Kette gelegt.” Wie ein Tier.
Er stemmte sich hoch und setzte sich auf, ohne ihre Hände loszulassen.
Sie musste sie ihm entziehen, um sich selbst aufsetzen zu können.
In der Dunkelheit hörte sie ihn rumoren, das Klirren seiner Kette. Er keuchte. “Das ist sinnlos. Die ist fest einbetoniert. Verdammt.” Seine Stimme klang erschreckend mutlos.
Eine Hand tastete nach ihr. Er rutschte in ihre Richtung und zog sie in seine Arme. Seine Lippen streiften ihre Wange. Sie spürte seinen schnellen Herzschlag. “Ich hab mich überrumpeln lassen wie ein Idiot. Dabei wollte ich dich hier rausholen”, flüsterte er nah an ihrem Ohr.
Ja, er war ein Idiot. Aber das musste sie ihm jetzt nicht auch noch sagen. “Schon gut. Du hast es versucht. Weiß jemand, wo wir sind?” Atemlos lauschte sie seinem stockenden Atem.
Er ließ sich Zeit. Noch fester umarmte er sie, so als hätte er Angst sie würde ihn wegstoßen, wenn sie die Antwort hörte. “Nein.”
Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Aus. “Gott.”
“Er wird dir nichts tun, wenn ich mache, was er verlangt. Hab keine Angst.”
Auch wenn sie nicht daran glaubte, nickte sie schweigend. Sie wollte nicht darüber nachgrübeln, was dieser Wahnsinnige mit seinem Gestammel angedeutet hatte.
“Er hat dir doch nichts getan, oder?”
Sie spürte wieder Jakobs feuchtkalte Hände auf ihrer Haut, als er sie gefesselt hatte. Wehgetan hatte er ihr nicht. Aber es war erniedrigend gewesen, ihm hilflos ausgeliefert zu sein. Wie er ihr Gesicht an seinen elenden Schwanz gedrückt hatte. Und wie er sie gefüttert hatte. Das ging Ben nichts an. “Nein.”
Mühsam löste sie sich von Ben und schob ihn weg. Sie hatte ihn doch nicht mehr in ihr Leben lassen wollen. Und nun war er mitten drin. Auch wenn er sie hatte retten wollen, änderte das nichts. Sie hatte ihm damals vertraut und war enttäuscht worden. Das durfte ihr nicht noch einmal passieren.
“Was ist los?”, fragte er besorgt.
Die Arme um die Knie gewunden bettete sie ihr Kinn darauf. “Es hat eine Zeit gegeben, da habe ich dir vertraut”, flüsterte sie. Ihre Stimme versagte.
Er schwieg, da war nur sein Atem, der erst für einige Augenblicke stockte und dann um so schneller wieder einsetzte. „Es tut mir so leid, was ich damals getan habe.“
Sie schüttelte nur stumm den Kopf, auch wenn er das nicht sehen konnte. Aber sie fand keine Worte.
„Ich habe dich geliebt”, flüsterte er in der Dunkelheit.
„Ach ja, deswegen hast du mit meiner besten Freundin geschlafen.“ Sie lachte bitter auf. “Wie hast du das gestern begründet: ‚Du hast dich so geziert.‘”, zitierte sie ihn mit brüchiger
Weitere Kostenlose Bücher