Berg der Legenden
strahlendes Scheitern«, gab George zurück.
»Aber sobald Sie Ihre Examen geschafft haben, Mallory, könnten Sie sich dann vorstellen, mich nächsten Sommer in die Alpen zu begleiten?«
»Auf jeden Fall«, erklärte George lächelnd. »Wenn es etwas gibt, das ich noch mehr fürchte als schlechte Noten, dann ist es die Vorstellung, dass Finch auf den Gipfeln von immer höheren Bergen steht und ›Waltzing Matilda‹ singt.«
»Er hat übrigens soeben seine Examensnoten mitgeteilt bekommen«, sagte Young.
»Und …?«
***
Guy staunte, wie hart George arbeitete, als die Abschlussprüfungen näher rückten. Nicht einmal während der Frühlingsferien nahm er sich einen Tag frei, um nach Pen-y-Pass oder Cornwall zu fahren, ganz zu schweigen von den Alpen. Seine einzigen Begleiter waren Könige, Diktatoren und Potentaten, und seine einzigen Exkursionen führten ihn zu den Schlachtfeldern weit entfernter Länder, während er bis zum Morgen seines Examens Tag und Nacht auf seinem Zimmer lernte.
Nachdem er binnen fünf Tagen ohne Pause elf verschiedene Arbeiten geschrieben hatte, konnte George nicht mit Sicherheit sagen, wie er abgeschnitten hatte. Nur die sehr Klugen und die sehr Dummen hatten diese Gewissheit. Sobald er seine letzte Arbeit abgegeben hatte, trat er aus dem Prüfungszimmer heraus in das Sonnenlicht, wo Guy auf der Treppe der Fakultät saß und auf ihn wartete, ein Flasche Champagner in der einen, zwei Gläser in der anderen Hand. Lächelnd setzte George sich neben ihn.
»Frag nicht«, sagte er, als Guy anfing, den Draht um den Korken abzuwickeln.
Die folgenden zehn Tage schienen eine Art Schwebezustand zu sein, in dem die Prüflinge auf ihre Examensnoten warteten und somit darauf, welche Zukunft für sie vorgezeichnet war.
So sehr Mr Benson seinem Schüler auch beteuerte, dass es für ihn außerordentlich knapp gewesen sei, Tatsache war, dass George Leigh Mallory nur einen Second-Class -Abschluss geschafft hatte und somit nach Michaelis nicht ins Magdalene College zurückkehren würde, um zu promovieren. Und es wurde auch nicht dadurch besser, dass der Senior Tutor hinzufügte: »Wenn Sie wissen, dass Sie geschlagen sind, treten Sie in Würde ab.«
Trotz einer Einladung von Geoffrey Young, im Sommer einen Monat mit ihm in den Alpen zu verbringen, packte George seine Koffer und nahm den nächsten Zug zurück nach Birkenhead. Wenn man ihn selbst gefragt hätte, so hätte er die nächsten vier Wochen als eine Zeit der inneren Einkehr beschrieben, wohingegen sein Vater fortwährend das Wort Verweigerung benutzte, während seine Mutter, in der Ungestörtheit des elterlichen Schlafzimmers, das untypische Verhalten ihres Sohnes Schmollen nannte.
»Er ist kein Kind mehr«, sagte sie. »Er muss sich entscheiden, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen will.«
Den Protesten seiner Gattin zum Trotz brauchte Reverend Mallory noch eine weitere Woche, um seinen Sohn geradeheraus auf seine Zukunftspläne anzusprechen.
»Ich wäge meine Optionen ab«, erklärte Georg. »Ich würde gerne schreiben und habe sogar schon mit einem Buch über Boswell angefangen.«
»Das wird möglicherweise sehr aufschlussreich, aber wahrscheinlich nicht besonders einträglich«, erwiderte sein Vater. »Ich nehme an, dir steht nicht der Sinn danach, in einer Dachstube zu wohnen und von Brot und Wasser zu leben.« Dem konnte George nicht widersprechen. »Hast du schon einmal daran gedacht, dich um einen Posten bei der Armee zu bewerben? Du würdest einen verdammt feinen Soldaten abgeben.«
»Ich war noch nie besonders gut darin, mich Autoritäten zu beugen«, erwiderte George.
»Hast du überlegt, in den geistlichen Stand einzutreten?«
»Nein. Ich fürchte, da gibt es ein unüberwindliches Hindernis.«
»Und zwar?«
»Ich glaube nicht an Gott«, sagte George schlicht.
»Das hat einige meiner hervorragendsten Kollegen nicht davon abgehalten, Priester zu werden«, sagte sein Vater.
George lachte. »Du bist ein alter Zyniker, Papa.«
Reverend Mallory ignorierte die Bemerkung seines Sohnes. »Vielleicht solltest du eine Karriere als Politiker in Erwägung ziehen, mein Junge. Ich bin sicher, dass du einen Wahlbezirk finden könntest, der dich liebend gerne als seinen Abgesandten im Parlament sehen würde.«
»Dazu wäre es hilfreich zu wissen, welche Partei ich unterstütze«, sagte George. »Und überhaupt, solange Abgeordnete nicht bezahlt werden, bleibt Politik nicht mehr als das Hobby reicher Männer.«
»Was auch
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