Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
ich ein hohes Alter erreichen), sondern ein weiser alter Mann.
Weisesein bedeutet Erfahrungen haben, bedeutet Distanz, Toleranz, GroÃzügigkeit. Begriffenhaben und Wissen sind viel, Weisheit ist mehr: Mit allen Sinnen, mit dem Herzen, mit dem Verstand begriffen haben, wie limitiert wir sind. Weisesein bedeutet vor allem das Erkennen und Anerkennen der menschlichen Grenzen. Weniger der Möglichkeiten. Das menschliche Beschränktsein wird vor allem beim Scheitern bewusst. Es ist wie rückwärts fliegen. Und es macht menschlich.
Weisesein heiÃt nicht passiv sein. Keine Fehler macht nur der, der nichts wagt. Ob aus Vorsicht oder Angst vor Versagen bleibt sekundär. Die panische Angst zu scheitern aber bremst nicht nur die Tat, sondern auch den Erfahrungsprozess im Leben. Deshalb sind mir Menschen, die handeln und scheitern, lieber als Zögerer, Zweifler, Abwarter. Wer nicht scheitern will, kommt auch nicht weiter.
Also sage ich mit Goethe: »Am Anfang stand die Tat.«
» Was es zu erforschen gibt, ist nicht der Berg, sondern der Mensch.«
II
Umsteigen, um weiterzukommen
⢠Das Burn-out-Syndrom.
⢠Phasenübergänge.
⢠Im richtigen Augenblick zu neuer Tätigkeit ansetzen.
⢠Der Mensch hat keinen Beruf.
⢠Paradigmenwechsel.
⢠Ehrgeiz.
⢠Optimaler Output durch Umstieg in einer neuen Lebensphase.
⢠Immer wieder mit jungen Leuten neu anfangen.
⢠Spielen als Verjüngungsfaktor.
⢠Der Mensch hat keine Aufgabe auÃer den selbst gewollten.
⢠Anstoà von auÃen als Fremdbestimmung oder aus dir selbst heraus.
⢠Latente Unzufriedenheit abbaubar mit dem Mut, dorthin zu gehen,
wo es dich hintreibt.
⢠Schicksal als Geschick, du selbst zu sein.
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»Das erreichte Ziel ist eine Art Gewohnheit geworden und damit rückständig.«
Die Vertikale gestrichen
20.5.1969
Während der Vorbereitungen zu zwei Prüfungen (Mathematik und Mechanik) erreicht mich in Padua, wo ich Hoch â und Tiefbau studiere, ein Telegramm. Ich bin eingeladen, anstelle von Kurt SchoiÃwohl, genannt »Gagga« (Innsbruck), an einer Tiroler Expedition in die Anden teilzunehmen.
Obwohl ich wegen des intensiven Studiums unter Schlafproblemen und seelischen Erschöpfungszuständen leide, will ich die vorgesehenen Prüfungen ablegen und im Sommer nur klettern. Körperlich fühle ich mich in guter Form, weil ich trainiere (Dauerläufe und Krafttraining im Klettergarten). Im Frühling sind mir ein Dutzend Klettertouren in den Piccole Dolomiti bei Vicenza, in der Schiara und Sella gelungen.
Ich sage zu. Statt in eine Art »innere Emigration« zu gehen, gehe ich in die Anden. So beginnt meine erste Auslandsbergfahrt.
25.5.1969
Abflug von Innsbruck. Ãber Zürich und Rio geht es nach Lima in Peru. In nur vier Tagen habe ich Pass, Impfungen und fehlende Ausrüstung besorgt. Das Studium ist vorerst vergessen.
3.6.1969
Fahrt von Lima nach Chiquian (3150 m). Beginn des Anmarsches.
6.6.1969
Marsch zum Caruacochasee (Basislager).
14.6.1969
Peter Habeler und ich starten kurz nach 3 Uhr im Lager I und steigen mit dem ersten Tageslicht in die Ostwand des Yerupaja Grande ein. Ãber harten Firn kommen wir rasch voran. In 5500 Meter Höhe Steinschlag! Unter uns ein Nebelmeer. Rückzug. Auch ein Versuch, den Yerupaja Chico zu besteigen, scheitert im grundlosen Pulverschnee.
Sepp Mayerl fixiert zur gleichen Zeit am Südwestpfeiler des Yerupaja Grande 100 Meter Fixseil.
18.6.1969
Um 1 Uhr nachts stehen Peter und ich auf.Sternenklare Nacht.Es ist kalt.Mit Stirnlampen, einem 60-Meter-Seil, fünf Firnhaken, vier Eisschrauben und sieben Felshaken steigen wir in die Ostwand des Yerupaja Grande ein.
Es ist gespenstisch, wenn mitten in der Nacht ein Licht hoch über oder tief unter dir herumfuchtelt. Die Vertikale wird so als Abgrund nach unten und nach oben in den Himmel erfahrbar. Unheimlich! Trotzdem nichts Beängstigendes. Beim Hellwerden sind wir 6600 Meter hoch. Im felsigen Gipfelaufbau, wenige Dutzend Meter unter dem höchsten Punkt, beginnen wir abzusteigen. Der Gipfelfelsen ist zu morsch. Abwechselnd lassen wir uns am fixen Seil hinunter. Der Zweite steigt jeweils frei nach. Nach nur 3 Stunden â wir verständigen uns mit Seilziehen und Wortfetzen â sind
wir wieder unten.
In einer so groÃen Wand zu klettern bedeutet Eindeutigkeit. Ich mache mir dabei keine Sorgen, ob ich mit
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