Berger, Fabian
zurück. »Sie dürfen da nicht rein, Herr Lorenz. Sie können sich hier hinsetzen und die Untersuchung abwarten.« Sie zog ihn zu einer Sitzreihe und bat ihn Platz zu nehmen. »Ihre Tochter hat keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Sie hatte einen guten Schutzengel. Und dem Kind ist auch nichts passiert. Es ist alles in Ordnung. Glauben Sie mir.«
Der Hauptkommissar war irritiert. »Wovon reden Sie da? Meine Tochter heißt Lorenz, Hannah Lorenz. Polizeibeamtin. Sie ist vor einer halben Stunde hier eingeliefert worden.«
»Das ist mir bekannt«, entgegnete sie und stockte sogleich. »Sie wussten nicht, dass Ihre Tochter schwanger ist? Tut mir leid, das konnte ich nicht ahnen. Ich denke, in zehn Minuten können Sie mit ihr sprechen.« Sie kehrte in den Raum zurück und schloss die Tür hinter sich.
Lorenz saß reglos auf dem Stuhl. Hannahs Schwangerschaft hatte ihn wie ein Schlag getroffen. Erst jetzt wurde ihm einiges klar: ihre ständige Abgeschlagenheit, die Situation im Restaurant. Er war bisher davon ausgegangen, dass die traumatischen Erlebnisse der vergangenen Wochen und der Stress im Büro damit zusammenhingen. Aber dass sie schwanger war, damit hatte er nicht gerechnet. Er versuchte sich darüber klar zu werden, was das für Hannah bedeutete.
Aufgewühlt ging er zu den Toiletten. Mit einem kräftigen Stoß setzte er die Tür in Bewegung und trat in den hell erleuchteten Raum. Vornübergebeugt warf er sich eiskaltes Wasser ins Gesicht. Er tastete nach dem Spender, zog mehrere Papiertücher heraus und trocknete sich ab. Hannahs Freund, Erik Frenzen, war bei ihrem letzten gemeinsamen Einsatz ums Leben gekommen. Sie hatte mit ansehen müssen, wie er starb. Nun stand sie alleine da – mit einem Kind. Er drehte den Wasserhahn wieder zu. Hatte sie es selbst nicht gewusst? Das raue Papier kratzte über seine Haut. Womöglich war sie genauso überrascht wie er.
-68-
V ollmer hastete über die Stufen des Treppenhauses und betrat die Redaktion. Völlig außer Atem schritt er zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den Stuhl fallen. Dabei stöhnte er kurz auf.
Die Kollegin, Sarah Lambi, beäugte ihn von der Seite. »Ist mit dir alles in Ordnung, Jan?«
»Danke, mir geht es gut.«
»Was ist denn passiert?«
»Ein Autounfall auf der Bonnerstraße. Zwei Zivilbeamte haben sich mit ihrem Wagen überschlagen. Ich hab nur geholfen, sie da rauszuholen.« Er lächelte verlegen. Dann nahm er den Fotoapparat aus seiner Tasche, tauschte den Akku aus und schloss die Kamera mit einem Kabel an den Computer an. Sofort öffnete sich das Menü der Bildbearbeitungssoftware. Er zog die Fotos in einen separaten Ordner und wartete, bis der Download abgeschlossen war. Währenddessen wanderte sein Blick zu Boschs Büro. Durch das milchige Glas der Tür sah Vollmer, dass das Licht im Inneren ausgeschaltet war. Verwundert wandte er sich an Sarah. »Ist der Chef nicht da?«
»Nein. Er ist schon vor Stunden gegangen. Ich glaube, ihm ging es nicht gut. Zumindest sah er so aus. Wahrscheinlich hat er wiedermal zu viel gesoffen.«
Vollmer hätte sie am liebsten zurechtgewiesen und sie über seinen Gesundheitszustand aufgeklärt. Er empfand es als taktlos, so über Bosch zu reden. Doch eigentlich hatte sie recht. Der Alkohol hatte ihn zerstört. Er zog es vor zu schweigen und beobachtete den Bildschirm.
Der Downloadvorgang war abgeschlossen. Er klickte die Bilder nacheinander an. Sie waren scharf und gaben im Detail wieder, was sich vor Kurzem ereignet hatte. Vollmer kehrte zu dem Foto des Transporters zurück, das er vor der Verfolgungsjagd geschossen hatte. Das Fenster auf der Fahrerseite war geöffnet. Er hatte die Gesichter der Insassen für einen Augenblick erkennen können und blitzschnell den Auslöser betätigt. Er zoomte den Bereich heran. Zwei Männer starrten auf den Eingangsbereich des Hauses. Der Fahrer war deutlich zu sehen. Er war hager und sein Gesicht zeigte die typischen Narben einer früheren Akne. Sein Nebenmann blieb größtenteils von ihm verdeckt. Nur ein Teil seines Gesichts und der Haaransatz ragten hinter dem Fahrer hervor. Er blätterte weiter. Die nächste Aufnahme zeigte, wie der Beifahrer mit einer Waffe in der Hand auf die Beamten zielte. Zum Schutz hielt er den Mann, der zuvor aus der Einfahrt gestürmt war, vor seinen Körper. Vollmer hatte das Gefühl, den Angreifer schon einmal gesehen zu haben. Doch der Gedanke erschien ihm zu absurd. Er wechselte zum nächsten Foto. Der Fremde zerrte sein Opfer
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