Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
so in diesem tapfren Aufzug vor mir stand, mußte ich doch lachen. Er war wieder sehr zärtlich. Und freigebig. Im Vatikan war schon alles verpackt, das Silberzeug, die Teppiche, die Tiara. Rodrigo befürchtete, der Franzose könnte ihn absetzen oder einsperren, und wollte sich nach Neapel zurückziehen. Er dachte sogar daran, abzudanken. Aber erst einmal verbrachten wir eine leidenschaftliche Nacht miteinander. Er schenkte mir am Morgen eine Perlenkette und ein Diadem mit Diamanten. O Gott, ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie wertvoll die Geschenke sind. Und dies alles in einer Situation, in der er um sein Amt, ja um sein Leben fürchten mußte. Noch immer ist mein Herz da, wo mein Schatz sich aufhält!
Nach dieser Nacht war plötzlich von einer Flucht nach Neapel nicht mehr die Rede. Rodrigo beschloß, in Rom zu bleiben und zu kämpfen. Ein echter Ritter auf dem Stuhle Petri.
Ich glaube, er liebt mich wirklich. Und er braucht mich in dieser schweren Zeit. Er vergoß sogar einige Tränen über sein Kind, das ich verlor. Aber ich bin sicher, der Barmherzige wird mich erneut segnen. Rodrigo hat auf jeden Fall das in seiner Macht Stehende getan, um mir den Verlust zu ersetzen.
Ich hoffe, alles wird gut.
Wann sehen wir uns wieder?
Hast Du etwas von Orso gehört?
Der Herrgott vertreibe die Eindringlinge aus unserem schönen Italien!
In Liebe ,
Deine Schwester Giulia
PS Ich fand keinen vertrauenswürdigen Boten für den Brief. Die Ereignisse überschlugen sich, wie Du wahrscheinlich weißt. Die Orsini haben Rodrigo verraten! Er war so wütend, wie ich ihn lange nicht gesehen habe, und er wird sich noch einmal an ihnen rächen. Dann fragte er mich, ob denn auch meine Familie zu dem Feind übergelaufen sei. ›Dein Bruder Angelo‹, rief er. ›Und Alessandro, den ich zum Kardinal gemacht habe? Ich traue niemandem mehr.
Ich bin von Verrätern umgeben.‹ Er war außer sich, und seine Söhne Cesare und Juan bekräftigten ihn in dem Verdacht, daß alle Welt ihn verraten wolle. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, indem ich ihm erklärte, daß Du mich ja schließlich zu ihm gelassen hättest und Dich in Capodimonte um unsere alte Mutter kümmern müßtest. Aber er blieb mißtrauisch. Und nun sollen die Franzosen schon kurz vor unserer schönen Stadt stehen.
PSS Im Januar 1495. Noch immer ist der Brief nicht abgeschickt. Die Franzosen haben Rom besetzt.
Rodrigo floh in die Engelsburg und hat den Eindringlingen die Stirn geboten. Das Haus seiner alten Freundin Vannozza wurde geplündert. Ich blieb die meiste Zeit bei ihm, um ihm seelischen Beistand zu leisten. Aber er ist ein alter Fuchs. Und ich weiß auch nicht, wie sehr ich ihm noch trauen kann. Am meisten hört er auf seinen Sohn Cesare.
Was wird werden? O, lieber Alessandro, manchmal habe ich Angst. Auch der Pöbel von Rom ist nicht auf Rodrigos Seite.
Ich weiß nicht, wie und wann der Brief Dich erreichen wird.
Ich hörte übrigens, daß der Palazzo der Ruffini angegriffen wurde und der alte Rufino ihn verteidigt hat. Die Franzosen hätten ihn sogar mit Kanonen beschossen, hieß es. Aber seine Tochter Silvia, unsere
Silvia, habe die Franzosen ganz allein in die Flucht geschlagen. Mit magischen Kräften, sagen die einen, die anderen behaupten: mit Hexerei. Hoffentlich haben die Franzosen sich nicht gerächt.
Alessandro ließ den Brief sinken, schaute seinen Bruder ratlos an und reichte ihn herüber. Als Angelo ihn gelesen hatte, sagte Alessandro: »Der Brief ist vom Januar. Aber wir haben Juni. Was ist inzwischen geschehen? Hast du weitere Nachrichten?«
Angelo schaute ihn triumphierend an. Wie häufig bei seinem Bruder mischte sich in diesen Triumph auch ein ängstliches Flackern.
»Ein Diener Crispos brachte den Brief und übergab mir auch einen an mich gerichteten Brief von Crispo selbst. Ich bin nun über die militärische Lage informiert. Ich werde noch morgen abreisen.«
»Crispo? Was hat denn Crispo mit Giulia zu tun? Nun erzähl schon! Spann mich nicht auf die Folter!«
Angelo lächelte. »Also«, begann er bedächtig, aber in einem sehr zufriedenen Ton, »der Franzose hat den Rückzug aus Neapel antreten müssen, war nur kurz in Rom und zieht mitsamt seinem Heer nach Norden.«
»Ja, dann kann er jederzeit hier auftauchen, unser Vieh abschleppen, die Dörfer plündern und Capodimonte erobern … Was ist denn nun mit Giulia?«
»Eins nach dem anderen.« Wieder machte Angelo eine künstliche Pause, und Alessandro trommelte nervös mit den
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