Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
wie der Maskierte dem blutverschmierten Körper Rosellas einen Tritt gab. Dann winkte er seinen Männern, zu verschwinden. Und ebenso schnell, wie sie hereingestürmt waren, rannten sie den Gang zur Treppe. Keiner hatte seine Maske abgezogen. Der Anführer stand als letzter vor Alessandro. »Du bist eine Memme, Kardinal Fregnese . Deine Schwester hat die Beine breitgemacht, damit du Kardinal werden kannst. Vielleicht werde auch ich sie einmal besuchen, la bella puttana . Und was diese Hure angeht …« Er trat noch einmal nach Rosella. »Vielleicht hätte ich sie sofort kaltmachen sollen. Ich bin jedoch wie du ein Mann Gottes, und heißt es nicht: Du sollst nicht töten? Aber jeder wird in dieser Stadt wissen, was es heißt, einen Cäsar zu beleidigen.«
Er wischte seinen blutverschmierten Dolch an Alessandros Wams ab und verschwand mit einem rauhen Lachen.
Er ist wirklich wahnsinnig, dachte Alessandro. Aut Caesar aut nihil ! Er geht über Leichen. Beim nächsten Mal bringt er dich um.
Dann kniete er sich neben Rosella. Er mußte die Augen schließen, um sich nicht sofort zu übergeben. Ihr Gesicht war durch Dutzende von Messerstichen und offenen Schnittwunden kaum noch als das Gesicht einer Frau zu erkennen. Die Augen schwammen in Blut, das Fleisch klaffte auf, die Nase hing nur noch an einem Hautlappen. Nun stürzten die Mädchen des Hauses herein, die Dienerinnen und Hausknechte folgten. Es war ein großes Durcheinander, ein Aufschreien und wildes Jammern. Mehrere der Mädchen wurden ohnmächtig. Alessandro hielt sein Ohr an Rosellas Mund. Sie atmete noch. Flüchtig untersuchte er ihren Körper. Er fand keine weiteren Stichwunden.
Er ließ eine Trage holen und sie darauf betten. Dann wurde das Blut abgetupft. Noch bevor Rosella hinuntergetragen wurde, hatte ein Mädchen einen Chirurgus geholt. Er untersuchte ihre Wunden, ließ Salben auftragen und verband sie. Er fragte nicht, was geschehen sei, sagte zum Schluß nur: »Sie kann überleben, aber man wird sie nicht mehr wiedererkennen.«
Alessandro überlegte, was zu tun sei. Sie brauchte Pflege, sie brauchte einen Menschen, der sich um sie kümmerte, der ihr auch seelischen Beistand geben konnte. Und ihm fiel nur ein einziger Mensch ein.
Er befahl mehreren Knechten, ihm mit Rosella auf der Trage zu folgen.
Als sie auf die Straße traten, bewegte Rosella sich und schien etwas sagen zu wollen. Alessandro beugte sich zu ihr nieder und lauschte. Zuerst verstand er überhaupt nichts. Er glaubte, seinen Namen zu hören. Sie suchte seine Hand, und er drückte sie vorsichtig. Dann sprach sie plötzlich doch so deutlich, daß er sie verstand: »Wenn ich überlebe, wird er von meiner Hand sterben, der Hundesohn.« Die Lippen begannen verstärkt zu bluten, sie stöhnte und verstummte. Alle Verbände waren inzwischen durchweicht von Blut. Bald standen sie vor dem Haus der Silvia Ruffini. Alessandro klopfte laut und rief ihren Namen. Es dauerte eine Weile, bis ein Licht angezündet wurde und die Tür zum Balkon sich öffnete.
»Erklärt ihr, was geschehen ist, laßt euch nicht abweisen und verschweigt meine Person«, wies er Rosellas Knechte an, drückte ihnen einige Dukaten in die Hand und tauchte unter in der nächtlichen Dunkelheit der römischen Gassen.
43. K APITEL
Als Silvia begriff, daß eine Schwerverletzte versorgt werden sollte, ließ sie sofort die Tür öffnen. Mit Entsetzen hörte sie, daß es sich um Rosella handelte. Ihr Blick fiel auf das, was einmal das Gesicht der stadtbekannten Kurtisane gewesen war, und sie unterdrückte einen Schrei. Rosella bewegte ihre Hand, suchte nach ihr. Silvia nahm sie, drückte ihre Lippen auf sie und ließ ihre ehemalige Kammerfrau in das verwaiste Zimmer ihres Vaters bringen.
Die ganze Nacht wachte Silvia bei ihr, aber Rosella sprach nicht. Manchmal glaubte Silvia, sie würde sterben, dann stöhnte Rosella aber wieder auf und bewegte das, was von den Lippen übriggeblieben war. Zu verstehen war nichts.
Silvia ließ erneut den Chirurgus holen. Sie benachrichtigte Crispo, dessen Familie schon die Hochzeitszeremonie in Santa Maria ad Martyres vorbereiten ließ. Crispo eilte herbei, verzichtete aber darauf, Rosella zu sehen. Er berichtete, in der Stadt spreche sich das Verbrechen schon herum. Bei dem sfregio an Roms teuerster Kurtisane habe es sich sicher um den Racheakt eines ihrer Kunden gehandelt. In Verdacht stehe ein hochstehender Römer, der an dem Abend bei Rosella gewesen sei und sich mit ihr lauthals gestritten
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