Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
habe. Sogar der Heilige Vater bedauere den Vorfall und habe eine gründliche Untersuchung angekündigt, die überwacht werde von seinem Sohn Cesare persönlich, dem Kardinal von Valencia.
»Weißt du, wer der Anführer war?« fragte Crispo.
»Sie trugen alle Masken, erzählten Rosellas Diener.«
Nachdenklich ging Crispo im Zimmer auf und ab. »Willst du, daß Rosella in deinem Haus bleibt?« Ein leichter Ton der Mißbilligung schwang in seinen Worten mit.
»Wenn du sie sehen würdest …«, antwortete Silvia und wandte sich von ihm ab. »Sie hat mir einmal gedient – o Gott, zu was sind Männer fähig!« Silvia konnte die Tränen nicht unterdrücken, und Crispo versuchte, sie zu trösten.
»Ich habe nichts dagegen, daß du sie pflegst«, sagte er nach einer Weile gedehnt. »Aber natürlich wirft es ein seltsames Licht auf unsere Familie.«
Silvia schüttelte unwillig die Hand ab, die Crispo auf ihre Schultern gelegt hatte. »Das Licht der Barmherzigkeit«, sagte sie trotzig, obwohl sie noch immer mit den Tränen kämpfen mußte.
Crispo legte ihr von hinten die Arme um die Hüfte und zog sie an sich. »Ich weiß, daß sie deine Kammerfrau war. Und ich habe auch von dem kleinen Sandro gehört …«
Silvia schluchzte auf.
Crispo drückte sie nun an sich. »Barmherzigkeit ist eine christliche Tugend. Ich verstehe dich.« Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Langsam versiegten ihre Tränen.
Er räusperte sich und sagte, wie nebenbei: »Du weißt, daß das Gerücht geht, Kardinal Alessandro Farnese sei an diesem Abend im Haus der Rosella gewesen.«
Silvia fuhr herum. »Das weiß ich nicht!« rief sie entsetzt. »Wer streut solche Gerüchte aus?«
»Nun, Rosellas Mädchen.«
»Alessandro? Das kann doch nicht sein!«
Crispo machte ein unglückliches Gesicht. Aber er sah nicht danach aus, als lüge er oder als wolle er Alessandro vor ihr schlechtmachen. Und doch hatte er genau dies erreicht.
»Ich kann mir allerdings nicht vorstellen«, fuhr Crispo fort, »daß Alessandro sich an einem solchen Verbrechen beteiligen oder es gar anstiften könnte. Gerade jetzt, nachdem sein Bruder gefallen ist.« Er fuhr sich mit seiner Hand durch die schwarzen Haare, die in lockigen Wellen auf die Stirn und bis auf die Schultern fielen.
Silvia nickte. Sie wollte jetzt auch nicht an Alessandro denken. Sie hatte ihm einen deutlichen Brief geschrieben, und er hatte bisher noch nicht geantwortet. Er würde auch nicht mehr antworten, so stolz, wie er war. Ein Farnese! Sie zwang sich, ihrem zukünftigen ’ Ehemann in seine dunklen großen Augen zu schauen. In ihnen lag ihre Zukunft! Und wieder fiel ihr auf, was für ein schöner Mann ihr Giovanni eigentlich war. Viel schöner als Alessandro, den sie so lange in ihrer kindlichen Anhänglichkeit und Dankbarkeit geliebt hatte. Alessandro hielt oft den Kopf nach vorne, und sein Schädel mit der großen spitzen Nase bekam dann etwas Adlerähnliches. Und auch die Augen konnten durchdringend, aber gleichzeitig undurchdringlich starren. Alessandro war nicht zu fassen. Giovanni dagegen blickte mit treuen Augen in die Welt, mit gutmütigen, vielleicht sogar mit barmherzigen Augen. Und wenn sie sprach, dann hörte er zu. Meist mit einem leicht zur Seite geneigten Kopf und nachdenklicher Miene. Giovanni konnte, daran gab es keinen Zweifel, keiner Menschenseele etwas zuleide tun. Wahrscheinlich hatte er auch nie Kurtisanen besucht. Er war ein Träumer, ein Künstler. Alessandro dagegen ging offensichtlich regelmäßig zu Kurtisanen.
Trotzdem konnte Silvia sich nicht vorstellen, er habe sich an Rosella derart brutal rächen wollen. Warum sollte er es auch tun? Dennoch: Warum stritt er sich mit Rosella? Sollte er nicht viel eher um seinen Bruder trauern und in Abgeschiedenheit beten?
Ein böser Gedanke schlich sich in ihre Überlegungen. Sollte ihm vielleicht sogar Angelos Tod zupaß kommen? Nun war er das Haupt der FarneseFamilie und der Erbe. Aber was nützte ihm, daß er die Stelle des Erstgeborenen einnahm? Er blieb Kardinal und durfte nicht heiraten!
Giovanni hatte sie auf ihren Hals geküßt und streichelte ihr über die Haare. »Alessandro muß unschuldig sein«, bemerkte er. »Hätte er den sfregio angestiftet, wäre er sicher nicht bei Rosella gewesen. Ach, auf Gerüchte sollte man überhaupt nichts geben.«
Silvia wußte nicht, was sie von Giovannis Reden halten sollte. Er schien hellseherisch ihren verborgenen Gedanken folgen zu können. Wie er sie nun warm und zärtlich an sich
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