Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
sich wehren, dies hatte er nun erneut bewiesen, sogar gegen eine Überzahl. Er besaß ein schnelles Pferd. Und sollte es sein Schicksal sein, in frühen Jahren zu sterben, so mußte er Gottes Willen hinnehmen.
Während Alessandro sich unter einem blühenden Kastanienbaum von dem langen Ritt nach La Verna ausruhte, den Blick auf die Felsen und die in den Himmel ragenden Klostermauern gerichtet, zog das vergangene Jahr an ihm vorbei, das ein Gewitter intensiver Erlebnisse gebracht hatte. Ein letzter Blitz am Himmel, gefolgt von einem brechendlauten Donnerschlag, dies war das Ende jener Zeit: der Ritt nach Arezzo. Pico voran mit wehenden blonden Haaren, ungewöhnlich bunt gekleidet in seinen zweifarbigen Beinkleidern, dem bestickten Wams und dem Federschmuck auf seinem Barett. Sie waren bester Laune, fühlten sich jung, stark und unbesiegbar. Sie glaubten, die Welt müsse für sie, nur für sie da sein. Alle Frauen hätten für sie ihre Schenkel zu öffnen, und wenn es nur wegen einer Wette sei.
In Florenz hatten die jüngeren Mitglieder der Accademia und der Medici-Freunde Wetten darüber abgeschlossen, wer die meisten Frauen und Mädchen während der Karnevalstage verführen könne. Wenn auf der Piazza della Signoria das Feuerwerk in den Nachthimmel schoß, schaute man sich unter seinen Masken verstohlen nach einem schön geformten Busen um. Zuerst waren es nur Blicke, die ausgetauscht wurden. Aber was konnten Blicke nicht alles verraten! Die Augen tiefschwarz umrandet oder hell mit lichten Wimpern. Halb geschlossen aus den Abgründen des Körpers herausschauend, oder weit offen, lachend, auffordernd, neckisch. Dann ergab sich eine scheinbar zufällige Nähe, Schmeicheleien folgten, Berührungen beim Tanz auf den Straßen. Die dunklen Ecken in den Gassen und die verborgenen Eingänge bargen überall Liebespaare, und es mußte schnell gehen. Auch Lorenzo suchte, verborgen unter einer schwarzen Maske, während dieser Tage seine Geliebte auf. Pico stellte seiner Krämersverlobten nach, wie er sie nannte, und berichtete von Vollzug und Erfolg, von einer Leidenschaft, die sich in einem Feuerwerk entlade, das dem auf der Piazza della Signoria in nichts nachstehe. Alle lachten, am lautesten er selbst.
Die Wette gewann schließlich Alessandro. Vielleicht lag es nur an seinem Kostüm. Er hatte sich als Apollo verkleidet, lockig, wohlgeformt und schwärmerisch, und jagte zuerst einer Daphne nach. Das junge Mädchen verweigerte sich ihm – nachdem sie beide erhitzt und lachend eine Saltarella getanzt hatten und er sie in das Halbdunkel einer Seitengasse ziehen konnte. Sie wehrte ihn ab, als er seine Lippen in ihren Ausschnitt versenken wollte. Sie kicherte – und stieß ihn weg! Sein Verlangen stieg nur noch mehr. Er schob ihren Rock hoch und legte seine hektisch ausschlagende Männlichkeit frei. Aber die Daphne wollte flüchten. Er preßte sie gegen eine Hauswand, und nun war kein Halten mehr, auch als sie nach ihm schlug. Beide rutschten ab und fielen gegen einen sich in die Höhe schraubenden Glyzinienstamm, und als Alessandro noch fester zugreifen wollte, fühlte er plötzlich nur diesen Stamm. Das Mädchen war verschwunden. Es hatte sich tatsächlich in Luft aufgelöst. Und er meinte in der Ferne ein leises Gelächter zu hören. Wahrscheinlich hatte ihn ein anderes, ein glücklicheres Liebespaar beobachtet und ließ sich nun wieder lustvoll ineinandergleiten.
Ernüchtert zog Alessandro zur Piazza della Signoria zurück, entdeckte für kurze Zeit Picos blonde Haare, stieß sogar auf den kraushaarigen Michelangelo Buonarroti, der auf den Stufen der Galena dei Lanzi saß und hektisch die Menschen skizzierte, die an ihm vorbeitaumelten in ihrem heidnischen Bacchanal.
Daß diese Daphne ihm entwischt war, stachelte Alessandro heftig an. Noch in derselben Nacht gelang es ihm, die schwer behängte Frau eines Goldschmieds zu beglücken. Am nächsten Tag fanden dann Prozessionen statt, auch Alessandro marschierte in Begleitung der würdigen und der weniger würdigen Accademia-Mitglieder mit, neben Marsilio Ficino, der über Gliederschmerzen klagte und anschließend die Einheit der Liebe beschwor, die Schönheit, insbesondere auch die Schönheit der Körper, in denen das alles durchwirkende Prinzip des Eros kulminiere. Bei den Turnieren auf der Piazza Santa Croce ergatterte Alessandro einen günstigen Platz, und er wurde gegen eine nicht mehr ganz frische Frau gedrückt, die Witwe eines Wollhändlers, die ihn freiwillig ihr
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