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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zum Auto zurück. Etwas später tauchte der Dicke wieder auf, und wir warteten und warteten. Gegen 11 hatte ich genug; da wurde es zum Glück dem anderen auch zu bunt, und er fuhr los. Zu Bünting. Ich folgte ihm und sah, wie er ins Haus ging, aber ich war erledigt. Ich hatte keine Lust mehr.«
    »Dann bist du ins Bett?«
    »Genau. Habe geschlafen bis vorhin.«
    »Und, was meinst du? Ist er der Edelhelfer von Bünting? Der Mann fürs Grobe?«
    »Ganz bestimmt«, sagte Fatty und ballte die Faust. »Dem traue ich alles zu, diesem Schafstett. Und fett ist der, mein lieber Mann ...«
    Ich schenkte mir den letzten Rest Kaffee ein. »Dann werde ich mich mal um ihn kümmern.«
    »Um den Dicken?«
    »Erst um den Kaffee. Und dann um den Dicken.«
     
     

36
     
    Wasser ... Es strömte von oben herab, sammelte sich in meinen Haaren, floss mir über die Stirn, rann mir ins Hemd, und doch konnte ich nicht genug davon kriegen. Am liebsten hätte ich mich ein zweites Mal in Büntings Teich geworfen, um nüchtern zu werden und meine Situation überdenken zu können. Stattdessen hielt ich mich an den Gitterstäben fest und legte den Kopf in den Nacken. Meine Schläfen schmerzten, ich wollte nur noch ins Bett.
    Was ich Fatty nicht erzählt hatte: Mein Rennrad war kaputt. Ich fand es einige Meter unterhalb der Stelle, an der ich es abgestellt hatte. Es lag schräg gegen die Ummauerung gelehnt, und jemand war mit voller Wucht auf das Vorderrad gesprungen. Oder ein Meteorit hatte es getroffen. Jedenfalls war die Felge geknickt, und mit den Speichen konnte man Mikado spielen. Mir fehlte die Energie, um mich über den Verlust aufzuregen. Außerdem, was war ein zerstörtes Rennrad gegen einen aufgespießten, ausgebluteten Frauenkörper? Die Gabel schien heil geblieben, ich musste eventuell nur das Vorderrad auswechseln. Mühsam schulterte ich das Wrack und schlurfte los. Eine Viertelstunde noch, dann wäre ich im Bett.
    War ich aber nicht. Noch bevor ich am Fuße des Auwegs die Bergstraße erreichte, krampfte sich mein Magen zusammen. Normalerweise liebe ich Pfeifentabak, aber heute, nach all dem Alkohol, den psychischen und physischen Tiefschlägen, löste der Rauch heftige Würgreflexe aus. Ich wandte den Kopf ab und atmete tief durch. Dieser Tabak ... ich kannte ihn, ich hatte ihn vor Kurzem erst inhaliert. Vor nicht einmal zwei Stunden, um exakt zu sein.
    Bei diesem Regen konnte der Raucher nicht weit sein. Vorsichtig legte ich mein Rad ab und schlich ein paar Meter nach unten. Tatsache: Da stand einer im Schutz einer Bus-haltestelle, schmauchte sein Pfeifchen und langweilte sich. Als wenn es dafür keine besseren Gelegenheiten gäbe! Nein, es musste ein oder zwei Uhr in einer Regennacht sein. Der nächste Bus würde noch ein paar Stunden auf sich warten lassen.
    Und wenn es dem Menschen gar nicht um den Bus ging?
    Auch ohne sein Gesicht zu sehen, wusste ich, wen ich vor mir hatte. Eine lange hagere Gestalt in dunkler Regenkleidung, den Kopf in einer Wolke von Rauch: Marten Micevski. Auf wen der wohl wartete? Blöde Frage, auf Arndt natürlich. Und warum lag Arndt nicht längst bei seinen Verbindungsbrüdern oder bei Großpapa im Bett? Nun, vermutlich wollte ihn der Chef der Rheno-Nicaria genau dies fragen. Man würde sehen.
    Und so warteten wir zu zweit: Marten im Schutz der Bushaltestelle, ich im Schutz einer Hauswand, die von Efeu überwuchert war. Im Prinzip war meine Rolle denkbar einfach, ich musste nur darauf achten, vor Kälte nicht allzu laut mit den Zähnen zu klappern. Verdammtes Regenwetter! Tagelang hatten wir geschwitzt und gestöhnt, und jetzt holte ich mir wahrscheinlich einen Schnupfen im Dienste von Wahrheit und Gerechtigkeit. Einen Schnaps hätte ich vertragen können.
    Zum Glück hatte Arndt ein Einsehen mit meiner Gesundheit. Eine halbe Stunde hatten Marten und ich dem eintönigen Lied des Regens gelauscht, als sich ein funzeliges Licht näherte und Büntings Enkel auf einem Rad dahergeschwankt kam. War er in den Neckar gefallen? Bei jedem Tritt schmatzte Wasser in seinen Schuhen; er musste längere Zeit ohne Schutz im Regen unterwegs gewesen sein.
    Als er Schwung nahm, um in den Auweg einzubiegen, trat Micevski unter dem schützenden Dach hervor. Arndt wäre vor Schreck fast vom Rad gefallen.
    »He ...? Was machst denn du hier?«, fragte er verdattert.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte der Lange.
    »Um diese Zeit? Du spinnst wohl.«
    »Für die Uhrzeit kann ich nichts. Du bist derjenige, der ständig abhaut,

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