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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schafstetts Pistole aus meiner Tasche gezaubert hatte. Ein wirklich nützlicher Haushaltsgegenstand. Ich beschloss, ihn zu adoptieren.
    Vor Wut zitternd – oder vor Angst? Bei dem Silberrücken wusste man nie –, ließ sich Bünting wieder in seinen Ledersessel fallen. Bevor ich mit meinem Vortrag beginnen konnte, öffnete sich die Zimmertür.
    »Arndt!«, begrüßte ich den Neuankömmling. »Immer rein in die gute Stube! Je mehr Publikum, desto besser.«
    Wahrscheinlich hatte ihn Katerinas Nachfolgerin händeringend informiert, dass sein Großvater von einem ebenso ungebetenen wie ungehobelten Gast heimgesucht wurde. Außerdem unterhielten wir uns ja nicht gerade im Flüsterton, Bünting und ich. Wie dem auch sei: Arndt trat über die Schwelle, sah meine Waffe und schreckte zurück.
    »Keine Angst«, sagte ich. »Das ist bloß eine Beruhigungspille für deinen Opa. Von einem ehemaligen Mitarbeiter der Darmstädter Chemiebetriebe verschrieben.«
    »Lassen Sie Arndt aus dem Spiel«, fauchte Bünting.
    »Das werde ich nicht tun! Arndt bleibt da und hört mir zu.« Ich wandte mich an den Enkel. »Du weißt ja inzwischen, wer ich bin.«
    Er nickte feindselig.
    »Deine tapferen vier Freunde, die mir eine Abreibung verpassen wollten, wechseln gerade die Unterwäsche. Alles Versager, diese Rhein-Neckar-Ratten. Aber das weißt du ja selbst. Zur Sache.«
    Ich musterte die beiden. Es war das erste Mal, dass sich Großvater und Enkel gemeinsam mit mir in einem Raum befanden. Der Junior lehnte mit verschränkten Armen und finsterem Blick an der Wand, der Senior saß grimmig in seinem Lehnstuhl. Ich dazwischen, eine Hinterbacke auf der Tischplatte, die linke Fußspitze auf dem Boden.
    »Nun rate mal, wer mich engagiert hat«, sagte ich zu Arndt. »Dein eigener Großvater. Du wirst es längst geahnt haben. Vergangenen Freitag rief er mich an.«
    Der Junge schwieg, der Alte winkte ab.
    »Und warum? Wegen des Jugoslawen. Beziehungsweise Serben. Und dafür muss ich etwas weiter ausholen. Also: Wir schreiben den Sommer letzten Jahres. Exkursion nach Serbien mit Arsani, dem heiteren Wissenschaftler. Ein Dolmetscher im hohen Rentneralter stellt sich den Studenten und ihrem Professor als Landsmann mit Verbindungen nach Heidelberg vor. Als der Name Bünting fällt, wird er plötzlich aufmerksam, bestürmt den Namensträger mit Fragen nach seinen Verwandten. Warum? Was will er? Dickes Fragezeichen. Des Rätsels Lösung naht ein Dreivierteljahr später.«
    Ich machte eine Pause und musterte meine Zuhörer. Ihre Reaktion war bemerkenswert. Arndt, dem ich ja nichts Neues erzählte, war blass geworden. Sein Großvater hingegen schien bass erstaunt. Kannte der Alte die Geschichte noch nicht? Ich fuhr fort.
    »Unser serbisch-deutscher Rentner kommt unvermutet nach Heidelberg und quartiert sich in der Wohnung des Enkels ein.« Bünting blickte Arndt entgeistert an. Ja, das war das Wort: entgeistert. »Dabei gilt sein Besuch eigentlich dem Großvater, seinem Altersgenossen, denn ihn kennt er von früher. Was passiert jetzt? Der Serbe nimmt Kontakt zu ihm auf, und zwar im Laufe des Freitags. Was will er? Etwas sehr Unfeines: Geld. Er möchte seinen alten Kumpel – oder Feind, das spielt keine Rolle – erpressen.« Ich wartete; keine Reaktion. »Womit und wodurch, ist nicht entscheidend. Jedenfalls eine alte Geschichte. Ich nehme an, es hat etwas mit Ihrer Desertion zu tun, oder Sie haben gleich zu Beginn Ihrer Wirtschaftswunderjahre ein krummes Ding gedreht, viel krummer als die Sorbinsäurenmauscheleien bei der DACH.«
    »Blödsinn!«, brüllte Bünting. »Alles dummes Geschwätz, was Sie da von sich geben, Mann!«
    »Schonen Sie sich«, sagte ich und deutete auf die Pistole. »Denken Sie an Ihr fortgeschrittenes Alter. Also, um was es sich handelte, dürfen Sie gleich ergänzen. Fest steht: Schafstett wird mit der sofortigen Ermordung des Serben beauftragt. Das reicht Ihnen aber nicht, Sie müssen befürchten, dass sich der Erpresser einem anderen gegenüber anvertraut hat, vielleicht nur in Andeutungen. Also brauchen Sie einen neutralen Zeugen: mich. Bei mir fällt es erstens nicht auf, wenn Sie mich engagieren; es geht ja um eine Erpressung. Und zweitens werden Sie irgendwie herausbekommen haben, dass ich knapp bei Kasse bin. So einen, denken Sie in Ihrem stromlinienförmigen Kapitalistenhirn, kann ich mir mit links kaufen. Der wird meine Unschuld gerne bezeugen, wenn während unserer Verhandlung mit dem Serben oder kurz danach ein Schuss

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