Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
kurz geschorenem Blondhaar und im dunklen Anzug. Der stand ihm, als hätte man ihn hineingehustet. Auch nicht sympathischer als seine Verwandten.
    Bünting blieb weiterhin stumm. Er saß in sich gekehrt an seinem Schreibtisch, faltete die Hände und blickte mit gespitzten Lippen ins Nichts. Dann räusperte er sich und schaute mich ernst, mit geradezu väterlicher Nachsicht an. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken.
    »Herr Koller«, begann er; ich war also wieder zum ›Herrn‹ aufgestiegen. »Herr Koller, ich hege mehr Verständnis für Sie, als Sie glauben. Sie wollten herausfinden, wer ich bin. Ich habe damit gerechnet. Schließlich sind Sie Detektiv. Ebenso verstehe ich, dass es Sie brennend interessiert, welchen Auftrag ich für Sie hatte und welche Bewandtnis es mit dem Vorfall auf dem Bergfriedhof hat.«
    Bewandtnis, soso. Vorfall. Sag mir, wie du sprichst, und ich sage dir, wie schlecht dein Gewissen ist.
    Bünting machte eine gewichtige Pause und ruderte mit den silbern behaarten Händen; so, als müsse er erst nach der Fortsetzung seiner Rede suchen. Ich versuchte, die Aufschriften seiner Aktenordner zu entziffern.
    »Aber Sie«, fuhr er fort, »Sie wiederum sollten verstehen, dass ich Ihnen nur bedingt Auskunft geben möchte. Zwingen können Sie mich nicht. Ich zwinge Sie ja auch nicht, Ihr Herumschnüffeln aufzugeben. Weder rufe ich die Polizei, noch schmeiße ich Sie hochkant raus. Mein Angebot war fair, meine ich: Sie akzeptieren ein angemessenes Ersatzhonorar, und dafür vergessen wir beide diese Geschichte. Sie waren doch damit einverstanden, oder täusche ich mich?«
    »Ihr Geld interessiert mich nicht«, behauptete ich und schnipste mir etwas Flaum vom Ärmel. »Das können Sie jederzeit zurückbekommen.«
    »Her damit!« höhnte er.
    »Oder sagen wir, ich behalte es als einmalige Aufwandsentschädigung. Sie haben nämlich ein Detail übersehen, den kleinen, feinen Unterschied zwischen uns: Ich habe, ganz im Gegenteil zu Ihnen, ein reines Gewissen.«
    »Meine Hochachtung«, spottete er. »Ein reines Gewissen! Vielleicht auch eine Wunderlampe und eine goldene Gans? Wenn Sie glauben, ich hätte etwas mit diesem unerfreulichen Todesfall zu tun, dann liegen Sie falsch. Völlig falsch.«
    »Natürlich«, lachte ich. »Die Erde ist eine Scheibe und der Zufall regiert die Welt. Haben wir uns denn zufällig auf dem Bergfriedhof getroffen?«
    »Nein, ich hatte Sie dorthin bestellt.«
    »Dorthin, wo zufällig eine Leiche liegt. Wo kurz zuvor jemand ermordet wurde. Das ist für Sie ein Zufall?«
    Er hob die Schultern. »Ein Mord, Selbstmord, ein Unfall ... Wer weiß?«
    »Das soll Zufall gewesen sein, Sie Clown?«
    Bünting schwieg.
    »Zufall auch, dass dieselbe Leiche in der Nacht weggebracht wurde?«
    Er stützte beide Ellbogen auf die Lehne seines Sessels, führte die gefalteten Hände zum Kinn und betrachtete mich nachdenklich. »Davon höre ich zum ersten Mal.«
    »Ich lasse mich nicht verarschen, Herr Bünting«, sagte ich. »Von wegen Zufall. Solange Sie solche Nebelkerzen werfen und mich dann auch noch mit Pfefferspray besprühen, lasse ich nicht locker. Darauf können Sie Gift nehmen.«
    Pause. Er schwieg, ich schwieg. Immer noch hatte sein Blick diesen wohlwollend-väterlichen Zug. Holzauge sei wachsam!
    »Sie haben recht«, sagte er schließlich. »Die Sache mit dem Pfefferspray war ein Fehler. Ich entschuldige mich dafür in aller Form bei Ihnen. Wissen Sie, ich bin ein alter Mann und neige manchmal zu Kurzschlussreaktionen.«
    »Ich kotze gleich auf deinen Teppich«, murmelte ich.
    »Deshalb möchte ich Ihnen sagen ...« Er brach ab und sah zur Seite. Hinter ihm, jenseits der großen Fensterscheiben, spielte das Abendlicht im hellgrünen Laub der Buchen.
    Ich wartete.
    »Ich habe eine Vermutung, wer der Tote sein könnte«, sagte er. »Fragen Sie mich aber bitte nicht nach seinem Namen. Den kenne ich nicht.«
    »Na, also. Geht doch.«
    »Als ich ihn auf dem Grab liegen sah, war ich genauso irritiert wie Sie.«
    »Und wer war der Mensch? Woher kannten Sie ihn?«
    »Ich kannte ihn nicht, wie gesagt. In den letzten Tagen schlich jemand um mein Haus herum. Und am Freitag rief mich ein älterer Mann an. Vermutlich derselbe. Ich fühlte mich bedroht.«
    »Bedroht?«
    »Ja.«
    »Ach, und deshalb haben Sie mich engagiert? Warum keinen Leibwächter?«
    »Einen Leibwächter? Wozu?«
    »Wenn Sie sich doch bedroht fühlten?«
    »Nicht körperlich. Dieser Mensch hat mir telefonisch gedroht. Er wollte mit

Weitere Kostenlose Bücher