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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einer alten Geschichte an die Öffentlichkeit gehen, irgendwelche Geheimnisse ausplaudern, ich denke, es hatte etwas mit meinem Beruf zu tun. Wobei er nicht konkret wurde. Richtig ernst habe ich sein Geschwätz nicht genommen, andererseits ist nicht auszuschließen, dass es nach einem halben Jahrhundert erfolgreichen Berufslebens den einen oder anderen Neider gibt. Deshalb beschloss ich, Sie zu engagieren, um herauszufinden, worum es dem Mann ging.«
    »Und weshalb haben Sie ihn dann umgelegt?«
    »Reden Sie kein Blech«, sagte er ungehalten. »Sie selbst sind Zeuge, dass ich erst nach Ihnen eintraf. Ich hätte gar keine Gelegenheit gehabt. Und selbst wenn: Wäre ich als Mörder vielleicht zurückgekehrt, um den Verdacht eines Detektivs zu wecken? Ist doch idiotisch. Als ich den Mann auf dem Grab sah, war ich erleichtert, dass sich das Problem auf diese Weise von selbst gelöst hatte. Wenn er es denn war.«
    »Aber jemand muss den Mord begangen haben.«
    Er zuckte die Achseln. »Was weiß ich, in welcher Gesellschaft sich der Mann bewegte.«
    »Sie haben also kein Interesse, den Mörder zu finden?«
    »Nein«, sagte er leise, aber fest. »Absolut nein. Wissen Sie was, Herr Koller? Ich bin gottfroh, dass die ganze Geschichte ausgestanden ist.«
    »Die ganze Geschichte, sagen Sie? Die ist immer noch ziemlich löchrig, finde ich. Was wollte der Mann genau von Ihnen?«
    »Ich weiß es nicht!«
    »Hat er Geld gefordert?«
    »Natürlich, das wollen sie doch alle.«
    »Wie viel?«
    »Er nannte keine Summe.«
    »Er hat Sie erpresst, nicht wahr? Womit? Wollte er Sie bloßstellen? Ihnen etwas antun?«
    »Koller«, er schüttelte müde den Kopf, »geben Sie sich keine Mühe. Die Geschichte ist vorbei. Aus und vorbei.«
    War sie das?
    Ich schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Bünting saß ein wenig nach vorne gebeugt, die Fingerspitzen seiner Hände lagen auf der Tischkante. Lassen Sie es gut sein, sagte diese Haltung, bitte, Herr Koller, haben Sie Verständnis, ich bin ein alter Mann, ich brauche meine Ruhe. Er hielt den Blick gesenkt, schicksalsergeben.
    Nichts war vorbei. Natürlich besaß diese Geschichte eine Fortsetzung. Der Tote auf dem Grab verlangte nach ihr, die Jungs aus dem Englischen Jäger wollten sie erfahren, von mir und meinen lädierten Augen ganz zu schweigen. Bünting zog bloß eine Show ab, spielte eine seiner vielen Rollen, in die er nach Belieben schlüpfte: In diesem Augenblick war er der erschöpfte Patriarch, der geplagte Greis, den die Unbilden der Welt bedrückten. In fünf Minuten würde er wieder das Aufsichtsratsmitglied sein, dann der empörte Großbürger, der abgeklärte Souverän, der jammernde Steuerzahler. Nichts davon war echt, und vielleicht kreisten all diese Masken nur um ein großes, gähnendes Loch im Zentrum seiner Seele.
    Leider fehlte mir eine Idee, welche Strategie zum Fortgang unserer Geschichte führte. Ich konnte Bünting ja schlecht zwingen, mir die volle Wahrheit über den Alten und seine angeblichen Drohungen zu beichten. Ebensowenig konnte er mich zum Aufgeben zwingen. Eine vertrackte Situation. Beim Schach hätte ich dem Mann ein Unentschieden angeboten.
    »Und warum auf dem Friedhof?«, brummte ich schließlich.
    »Wie?«, fragte er zurück, von der Tischplatte zu mir hochblickend.
    »Warum haben Sie mich auf den Friedhof bestellt und nicht zu sich nach Hause?«
    »Ach ...« Er wischte den Einwand weg wie Ungeziefer. »Sie fragen und fragen ... Warum nicht auf dem Friedhof? Ich wollte Sie testen. Sie verstehen auch gar nichts.«
    »Und Sie lügen wie gedruckt«, sagte ich, aber das ging im Klingeln des Telefons unter. Bünting schaute auf das Display und drückte eine Taste; das Klingeln verstummte.
    Dann blickte mir der Silberrücken scharf in die Augen, lehnte sich zurück und faltete wieder seine Hände. Die Komödie ›Erfahrenes Alter belehrt ungestüme Jugend‹ neigte sich ihrem Ende zu. Er räusperte sich.
    »Fazit«, sagte er in geschäftsmäßigem Ton. »Erstens: Lassen Sie mich und meine Familie in Ruhe, Herr Koller. Wenn Sie sich weiter hier herumtreiben, herumschnüffeln und irgendwelche lächerlichen Aktionen planen – bitte, ich kann Sie nicht einsperren lassen; aber es wird Ihnen nichts einbringen, und gegebenenfalls werde ich mich zur Wehr setzen.«
    Aha. Das klang schon wieder vertrauter.
    »Zweitens: Lassen Sie die Polizei ihre Arbeit tun. Halten Sie sich da raus, die Beamten wissen, was sie zu tun haben. Ich

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