Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
machte.
»Dass sie mit Männern weggegangen ist.«
»Ist das nicht dasselbe?«
»Nein.«
Franco schaute Tresa fragend an.
»Sie meinen, Sie haben lediglich gewusst, dass sie mit den Männern weggegangen ist«, sagte Tresa.
Zehnder schnippte mit den Fingern und zeigte auf die Polizistin. »Sie hat’s kapiert!«
»Und wieso haben Sie es gewusst?«
»Weil Elena es mir gesagt hat. Sie hat gesagt, sie sei in zwei Stunden zurück.«
»Und dann?«
»Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
»Und wieso haben Sie keine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
Zehnder schwieg. Franco merkte, wie überflüssig seine Frage war. »Können Sie sich sonst an irgendetwas erinnern? Eine Autonummer, irgendein anderes Detail? In welche Richtung sie gefahren sind?«
Zehnder schüttelte den Kopf. »Und jetzt? Was passiert jetzt mit mir?«
»Wir werden Sie nach Chur überweisen. Menschenhandel ist nicht unser Ressort.«
Franco stellte den Rekorder ab.
Stettler sah immer noch sehr beschäftigt aus. Er wühlte in einem Haufen Papier, schien etwas zu suchen.
»Komme ich ungünstig?«, fragte Julia.
Stettler verzog das Gesicht. »Nein, kommen Sie nur. Es sind ein paar Arbeiter krank geworden. Eine Sommergrippe. Wir müssen alles neu organisieren, die Einsatzpläne für die Arbeiter und die Maschinen, die Termine, die Abläufe.« Er verschwand hinter einem leintuchgroßen Plan, den er soeben auseinandergefaltet hatte.
»Ich hab’s gleich.« Er kam wieder zum Vorschein. »So, jetzt haben wir’s.« Er strich den Plan glatt.
»Sie wollten mich sprechen?«, fragte Julia.
Stettler nickte, ohne vom Papier aufzusehen. »Bitte setzen Sie sich doch.«
Julia schaute sich nach einem freien Stuhl um, aber alle waren mit Papierstapeln belegt. Sie blieb stehen.
Er hob den Kopf und sah sie an. »Ich wollte Sie um etwas bitten.« Er machte eine kurze Pause. »Es geht um die Tunnelröhre Ost. Ich wäre froh, wenn Sie dort …«
»Aber …«
»Es ist mir klar, dass Sie heute abreisen wollen, doch ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Bohrkopfrevision an unserer zweiten Maschine übernehmen können. Den Verschleiß feststellen, die Räumerhalter ersetzen, die Arbeiten planen, das Material bestellen. Einfach alles, was dazugehört. Das ist keine große Sache, aber ich möchte, dass das möglichst sorgfältig gemacht wird. Mit Ines hatten wir bis jetzt keine größeren Probleme, und ich will, dass das auch so bleibt.«
»Das ist sehr nett, dass Sie mich fragen, aber …«
»Und es wäre natürlich auch schön, wenn Sie bei unserem Grillfest heute Abend dabei wären.«
»Ja, aber …«
»Und wenn Sie keine Würste mögen, es gibt auch anderes …«
Julia schüttelte den Kopf.
»Ich kann Ihnen auch für Ines jemanden zur Seite stellen, der Sie …«
Was war nun in Stettler gefahren, fragte sich Julia. Wieso wollte er sie unbedingt hierbehalten?
»Oder wenn Sie sonst noch etwas brauchen. Ich kann mich auch mit der Tunneling Corp. direkt in Verbindung …«
»Das ist es nicht!« Julia hielt inne. Sie wusste nicht, wie sie beginnen sollte.
»Ich bin froh, dass ich heute abreisen kann«, platzte es aus ihr heraus.
»Was? Wieso?« Stettler sah sie mit großen Augen an.
»Ich habe das Gefühl, dass ich auf dieser Baustelle nicht erwünscht bin«, kam sie gleich zur Sache.
»Wie kommen Sie nun darauf? Hat Sie jemand angepöbelt? Oder ist jemand laut geworden? Das ist doch normal auf einer Baustelle. Das müssten Sie eigentlich wissen. Aber Frauen sind da wohl etwas sensibler.« Den letzten Satz sagte er mehr zu sich selbst.
»Ich weiß, wie es auf einer Baustelle zugeht. Und ich bin das durchaus gewohnt.«
»Was ist dann das Problem?«
Sie bereute bereits, das Thema angesprochen zu haben. Doch es war zu spät. Stettler würde nicht lockerlassen. »Zum Beispiel der Steinschlag gestern«, begann Julia.
»Welcher Steinschlag?«
»Oben am Berg. Ich war spazieren. Da sind auf einmal Steine auf mich heruntergedonnert.«
»Haben Sie sich verletzt?« Er schaute sie von oben bis unten an.
»Nein.«
»Dann haben Sie Glück gehabt. Aber ich sehe nicht, wo das Problem liegt. Steinschläge gibt es hier immer wieder.«
»Ich glaube, der hat mir gegolten.«
»Ihnen? Das kann ich nicht glauben. Wieso sind Sie so sicher, dass es ein Anschlag war und dass er Ihnen gegolten hat?«
»Da war zuerst dieser Lastwagen, der mich beinahe überfahren hat, und dann dieser Zettel.«
»Welcher Zettel?«
» Frauen haben im Tunnel nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher