Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
Käfer.
Der Vater lieferte seine Tochter dem römischen Statthalter Marcianus aus, der sie zum Tode verurteilte. Auch ihm war es nicht gelungen, Barbara von ihrem christlichen Glauben abzubringen. Er ließ sie aufs Grausamste foltern, mit Keulen schlagen, mit Fackeln brennen und ihr die Brüste abschneiden.
Antonio verstummte betroffen. Schaute auf seine Hände. Er schien die Qualen mitzufühlen. Julia verschränkte die Arme vor der Brust.
Mit geschundenem Körper sei Barbara nackt auf dem Markt den Blicken der Leute preisgegeben worden, fuhr Antonio fort. Auf ihr Gebet hin sei sie jedoch mit Wolken und Nebel bedeckt worden.
Der Statthalter hatte Barbara zum Tode verurteilt. Der Vater vollstreckte das Urteil selber und enthauptete seine Tochter mit dem Schwert.
»Kurz darauf ein Blitz ihn treffen …«
»Ich möchte euch nicht bei eurem Kaffeekränzchen stören, aber in einer Stunde geht das Fest los.« Stettler stand unten an der Maschine.
»Welches Fest?«, fragte Julia.
»Kilometer zehn.«
»Aber wir sind doch noch gar nicht …«
»Sie können den Männern gerne selber sagen, dass ihr Fest nicht stattfindet, weil eure Maschine den Geist aufgegeben hat. Die haben sich die ganze Woche darauf gefreut. Habt ihr was herausgefunden?«
»Ein defektes Proportionalventil. Die Dichtung.«
»Und wieso läuft die Maschine noch nicht?«
»Wir nicht finden Ersatz«, sagte Antonio.
»Haben Sie im Ersatzteillager im Magazin nachgeschaut?«
»Sicuramente. Ich schicken Collega.«
»Das kann nicht sein. Ich schau selber nochmals nach. So ein Mist!«
In der Cantina Tschiervi war es laut. Rauch und Bierduft hingen in der Luft. Offenbar hatten sie zur Feier des Tages das Rauchverbot aufgehoben.
Alle Tische waren bis auf den letzten Platz besetzt. Stettler hatte sich ganz hinten zur Bauleitung gesetzt. Die Ingenieure feierten heute nicht in ihrer privaten Stube. Stettler machte keine Anstalten, Julia zu sich zu winken. Es war auch kein Platz mehr frei.
Antonio nahm sie am Ärmel und zog sie an einen Tisch, der ebenfalls voll besetzt war. Die Arbeiter schauten Julia skeptisch an. Dann sagte Antonio etwas auf Italienisch, worauf die Männer mit den Stühlen zusammenrückten, ein wenig widerwillig zwar, aber sie taten es. Einer verschwand und kam mit zwei Stühlen zurück.
»Sind alle hier aus dem Tessin?«, fragte Julia, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Nein, wir von Grigioni«, antwortete Antonio und winkte der Frau, die sie nach ihrer Ankunft getroffen hatte. »Maria, ancora due bicchieri e una bottiglia di vino rosso, per favore.«
Maria stutzte zuerst, als sie Julia sah, verschwand dann aber hinter dem Büfett.
Julia schaute Antonio fragend an. »Aber Sie sprechen doch italienisch.«
»Esattamente. Auch in Grigioni sprechen italienisch. In gewisse Täler. Nicht nur deutsch und rumantsch.«
»Grigioni?«
»Cantone Graubünden. Wenn gehen von hier direkt durch Berg«, er zeigte in Richtung des verglasten Raumes, »dann Sie kommen in mein Dorf in Valle Mesolcina. Direttissima.«
Antonio verstummte. Maria kam zurück, stellte die Gläser auf den Tisch. Als sie den Wein einschenkte, tätschelte er ihr das Bein. Maria ließ es sich gefallen. Julia starrte die beiden an. Der Mann, der neben ihr saß, stieß sie mit dem Ellbogen an und schnalzte. »È la sua fidanzata«, sagte er.
»Wie bitte?«, fragte Julia.
»Keine sexuelle Belästigung. Sie ist seine Verlobte.« Er lächelte sie an. Oder lachte er sie aus?
»Wieso sprechen Sie so gut deutsch?«, fragte Julia.
»Meine Mama kommt aus der Deutschschweiz. Ich bin Sandro.« Er hatte rabenschwarze Haare und dunkle Augen. »Und Sie sind die Frau, die die Maschine wieder zum Laufen bringt?«
»Das hoffe ich doch.«
Er hob das Glas und stand auf. »Auf die Frauen und die Maschinen. Und die Tunnels. Viva!«
»Viva!«, tönte es durch den Saal.
»Prost!«, sagte Julia in die Runde.
Die anderen Männer am Tisch hoben die Gläser und prosteten ihr zu, ein paar, ohne sie dabei anzuschauen.
Es gab Schinkli mit Kartoffelsalat, zum Nachtisch Tiramisu. Sandro hatte sich wieder seinen Kollegen zugewandt, die dem Gelächter zufolge Witze erzählten oder Sprüche klopften.
Antonio schilderte Julia seine ganze Familiengeschichte, angefangen mit dem Urgroßvater, der ausgewandert und dann wieder zurückgekommen war. Immer wieder wurden sie von Maria unterbrochen, die zu Antonio etwas auf Italienisch sagte. Meist schüttelte er nur den Kopf.
Einmal fragte Julia Maria,
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