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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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niemals, und McGeorge Bundy berichtete dem Präsidenten über den Fernsehauftritt, indem er ihm »eine Auswahl von Kommentaren aus Bonn und Berlin [weiterleitete], darunter auch einen Verweis auf die hilfreiche Wirkung der Äußerungen Senator Fulbrights«.
    In Wirklichkeit waren die Westdeutschen tief verzweifelt über die Äußerungen,
während die Ostdeutschen von Fulbrights Vorschlag hellauf begeistert waren. Der Westberliner Tagesspiegel beklagte sich, dass die Bemerkung des Senators potenziell ebenso feindliche Aktionen provozieren könnte wie Achesons Worte seinerzeit unmittelbar vor dem Korea-Krieg, als er erklärt hatte, dass sich Südkorea außerhalb des amerikanischen Verteidigungskreises befinde. Das kommunistische Parteiorgan Neues Deutschland nannte Fulbrights Idee eine »realistische Auffassung«. 45
    Anfang August stellte Kennedy bei einem Spaziergang durch den Säulengang beim Rosengarten mit Walt Rostow, dem Wirtschaftsexperten im Stab Bundys, Mutmaßungen an, was wohl als Nächstes in Berlin passieren werde. »Ostdeutschland gleitet Chruschtschow allmählich aus der Hand«, sagte er, »und das kann er nicht zulassen. Wenn Ostdeutschland erst einmal weg ist, passiert das Gleiche mit Polen und ganz Osteuropa. Er muss etwas unternehmen, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Vielleicht baut er eine Mauer. Und wir werden nichts dagegen unternehmen können. Ich kann das Bündnis auf die Verteidigung Westberlins einschwören, aber ich kann nichts tun, um Ostberlin offen zu halten.« 46
    MOS KAU
DONNERSTAG, 3. AUGUST 1961
    An einem drückend heißen Morgen in Moskau fuhr Ulbricht in einer Limousine mit geschlossenen und verhängten Fenstern zu seinem Treffen mit Chruschtschow. Ulbricht hatte seine Abreise aus Berlin zu einer Dringlichkeitssitzung des Warschauer Pakts am selben Tag nicht angekündigt, und wenn möglich wollte er in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden. 47
    Moskau schien geradezu heiter verglichen mit dem, was Ulbricht im eigenen Land erlebte. Touristengruppen liefen hinter Führern über den Roten Platz. Die ersten Sightseeingboote fuhren die Moskwa aufwärts, vorbei an Männern in Kajaks, die ihre Morgengymnastik machten. Riesige Schwimmbäder öffneten in Parkanlagen ihre Tore. Da gerade Schulferien waren, wimmelte die Stadt nur so von Eltern mit Kindern.
    Chruschtschow und Ulbricht trafen sich, um die letzten Details für die Grenzschließung auszuarbeiten, ehe sie die Mitglieder des Warschauer Pakts um ihre Zustimmung zu dem Plan baten. Ulbricht wollte ferner, dass seine
Verbündeten wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen in Betracht zogen, falls der Westen mit Sanktionen antworten sollte.
    Die beiden Männer hatten im vergangenen Monat ständig die Vorbereitungen ihrer Sicherheitsdienste und Streitkräfte überwacht, sodass es nicht nötig war, jedes Detail erneut zu besprechen. Chruschtschow erklärte, dass sie gemeinsam »einen eisernen Ring um Berlin legen würden. […] Unsere Kräfte müssen diesen Ring bilden, aber Ihre Truppen müssen ihn überwachen.« Die Sowjets schickten zusätzlich viertausend Soldaten nach Berlin, während die beiden Männer miteinander sprachen. Chruschtschow sagte Ulbricht, dass er auch Panzer an der Grenze zur Bundesrepublik auffahren werde, hinter den Stellungen der ostdeutschen Soldaten. 48
    Der Zweck ihres jetzigen Treffen war es, den Zeitplan endgültig festzulegen. Chruschtschow erklärte, er wolle einen Friedensvertrag mit Ulbricht erst nach der Grenzschließung unterzeichnen. Außerdem wollte er nicht zulassen, dass Ulbricht Schritte gegen die Zufahrtswege oder Flugrouten nach Westberlin unternahm. Ulbricht pflichtete ihm bei, dass der Friedensvertrag inzwischen zweitrangig sei, auch wenn er immer noch mit Moskau einen Vertrag schließen wolle, der den Kriegszustand beende. Vorrang hätten vielmehr ein Stopp des Flüchtlingsstroms und die Rettung seines Landes. Ulbricht sagte dem Sowjetführer, in nur zwei Wochen sei er bereit, jeden Verkehr zwischen Ost- und Westberlin zu unterbinden.
    »Wann wäre der beste Zeitpunkt für die Aktion?«, wollte Chruschtschow wissen. »Machen Sie es, wann es Ihnen passt. Wir können jederzeit zur Tat schreiten.« 49
    Da ihm das Flüchtlingsproblem unter den Nägeln brannte und die Gefahr bestand, dass die Pläne durchsickerten, wollte Ulbricht möglichst rasch handeln. Er schlug die Nacht zwischen Samstag, dem 12. August, und Sonntag, dem 13. August, vor.
    Nach der Bemerkung, dass der Dreizehnte im Westen gemeinhin

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