Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt
als ein Unglückstag gelte, meinte Chruschtschow im Scherz, dass er »für uns und das ganze sozialistische Lager tatsächlich ein sehr glücklicher Tag sein wird«. 50
Chruschtschow, der in den Dreißigerjahren unter anderem auch für den Ausbau der Moskauer Metro verantwortlich gewesen war, wollte mehr über die logistischen Details hören: Was Ulbricht denn mit den Straßen vorhabe, die er auf der detaillierten Karte gesehen habe und in denen eine Seite in Ostberlin und die andere im Westteil liege?
»In den Häusern, die Ausgänge nach Westen haben, werden die [Ausgänge]
vermauert«, sagte Ulbricht. »An anderen Stellen werden Stacheldrahthindernisse errichtet. Der Stacheldraht ist bereits angeliefert. Das kann alles sehr schnell geschehen.« 51
Der sowjetische Parteichef lehnte Ulbrichts Bitte ab, eine dringliche Wirtschaftskonferenz einzuberufen, um die notwendige Unterstützung für die ostdeutsche Wirtschaft vorzubereiten. Chruschtschow fürchtete, dass schon die Ansetzung eines solchen Treffens dem Westen einen Hinweis auf ihre Pläne geben und der Flüchtlingsstrom infolgedessen noch stärker anschwellen könnte. Ulbricht blieb nichts anderes übrig, als sich selbst nach Kräften vorzubereiten.
Außerdem stellte der Kremlchef klar, dass sämtliche Operationen auf ostdeutschem Territorium ausgeführt werden mussten, »aber keinen Millimeter« auf dem Gebiet Westberlins. Jedes Signal Kennedys an Chruschtschow, angefangen beim Wiener Gipfel über die Rede vom 25. Juli bis hin zu Fulbrights Fernsehinterview, hatte durchblicken lassen, dass er auf der sicheren Seite war, solange alle sowjetischen und ostdeutschen Aktionen auf das Territorium des sowjetischen Blocks beschränkt blieben und in keiner Weise die Zugangsrechte der Alliierten nach Berlin beeinträchtigten. Tatsächlich hatte das letzte Gespräch mit Botschafter Thompson ihn überzeugt, dass Kennedy und Adenauer das Ergebnis womöglich sogar begrüßen würden. Zwei Tage zuvor hatte er zu Ulbricht bei einem Treffen gesagt:
Sobald die Grenze geschlossen ist, werden die Amerikaner und die Westdeutschen regelrecht froh sein. Thompson sagte mir, dass diese Flucht den Westdeutschen erhebliche Schwierigkeiten bereite. Wenn wir also diese Kontrollen einführen, dann werden alle zufrieden sein. Und abgesehen davon werden sie Ihre Macht spüren. 52
Ohne ausdrücklich von einer Mauer in Berlin zu sprechen, forderte Chruschtschow die Gruppe des Warschauer Pakts auf, einer völligen Schließung der Grenze zuzustimmen, einschließlich der zwischen dem ost- und westdeutschen Territorium existierenden. »Wir schlagen vor, dass die Staaten des Warschauer Pakts im Interesse der Unterbindung der subversiven Tätigkeit zustimmen, Kontrollen entlang der DDR-Grenzen einzuführen, einschließlich der Grenzen in Berlin, vergleichbar mit den bestehenden entlang der Staatsgrenzen der Westmächte.«
Auf der anschließenden dreitägigen Sitzung des Warschauer Pakts bekam
Ulbricht einen großen Teil von dem, was er wollte, aber nicht alles. Seine sozialistischen Nachbarn akzeptierten die Grenzschließung einhellig und stimmten einer Verlegung ihrer Truppen zu, um das sowjetische Militär zu unterstützen. Was Ulbrichts Verbündete allerdings nicht zusagen wollten, war – zu Chruschtschows großer Bestürzung – eine wirtschaftliche Absicherung. Ein kommunistischer Parteichef nach dem anderen, von Władysław Gomułka aus Polen, Antonín Novotný aus der Tschechoslowakei bis hin zu János Kádár aus Ungarn, äußerte Bedenken, dass der Westen möglicherweise gegen den ganzen Block wirtschaftliche Sanktionen verhängen könnte. Und alle verwiesen auf die eigenen begrenzten Ressourcen. Gomułka wollte sogar, dass Ulbricht überlegte, wie er ihm helfen könne, falls es zu einem westlichen Boykott des gesamten Blocks kommen sollte, indem Waren umgeleitet wurden, die normalerweise in den Westen verkauft wurden. Er machte sich Sorgen, wie anfällig Polen für jeden Rückschlag wegen Berlin war, weil das Land so hoch verschuldet war und ein so großes Handelsvolumen mit dem Westen hatte.
Novotný warnte Ulbricht, dass er bei Lebensmitteln nicht auf ihn zählen könne, weil sein Land große Probleme mit der landwirtschaftlichen Produktion habe. Da die Tschechoslowakei einen größeren Anteil ihres Handels als jedes andere Land des Warschauer Pakts mit dem Westen abwickelte, fürchtete er, dass sein Land im Nachspiel einer Aktion in Berlin am ärgsten leiden würde. Kádár
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