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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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Blondine hinter dem Tresen regte sie auf.
    „Wie lange arbeitest du schon am Empfang, Mädchen? Müsstest du deine Gäste nicht langsam kennen?“
    Ein lauer Sommerabend. Türkische Musik aus den Cabrios, rote und grüne Blinklichter im thailändischen Bistro. Die Tresen- Barbie hatte sie einfach ausgecheckt und ihr die Mitgliedskarte zurückgegeben; Barbara hätte ihr ruhig etwas lauter den Marsch blasen sollen. Vermehrte sich in Ludgers Körper nicht ein grausames Virus? Wie viele Jahre, Monate, Wochen würde seine Kraft reichen? Wer würde sich nach seinem Tod an ihn erinnern? Sie klemmte ihre Sporttasche auf den Gepäckträger – da spürte sie das Pochen. Sie hatte es seit Wochen nicht gespürt, plötzlich war es wieder da – zwischen Magen und Brustbein, eine dunkle, pulsende Energie. Besser schnell nach Hause fahren … Sich unter die Decke kuscheln, das Pochen mit einem Glas Wein, einer Tablette betäuben … Aber nein! Sie hatte doch alles in ihrem Manuskript genau beschrieben! Das Drängen und Ziehen, wie es jede Frau in der Lebensmitte hin und wieder spürt! Dem sie nicht ausweichen, das sie nicht unterdrücken darf! Denn was da pulst und zieht, ist keine Schwäche, keine Gefahr, sondern ihr kostbarster Schatz – ihr Leben!
    „Wir fühlen Schmerz! Wir fühlen Angst, wir fühlen Einsamkeit, wir wollen schreien! Doch in der Lebensmitte brauchen wir Mut! Wir brauchen Mut, uns unserer Existenz neu zu stellen!“
    Bülowstraße … Kleiststraße … Tauentzienstraße … Sie fuhr auf ihrem alten Hollandrad Richtung Westen. Dr. Bornkessel hatte sie gewarnt: „Wenn Sie das Pochen spüren, das Ziehen in Ihrer Brust – dann wissen Sie, Sie werden, unter gewissen Umständen, gefährlich.“ Unsinn! Sie trat fester in die Pedale, das Schutzblech klapperte, sie hörte Musik, sah die Bordsteine voller Menschen, roch Dönerfett und gebratene Mandeln. Sicher, sie fuhr gerade in die verbotene Richtung. Aber was wusste Dr. Bornkessel von ihrer Disziplin, ihrer Kraft?
    Jetzt stand sie an der Ampel, ein wenig außer Atem, sie spürte das Pochen etwas stärker. Und wenn Dr. Bornkessel vielleicht doch recht hatte? Doch nun sprang die Ampel auf grün, sie stemmte sich ins Pedal, riss den Lenker herum, fast verlor sie Halt … Sie radelte nach Norden! Richtung Bahnhof Zoo! Sie fuhr nicht länger in die verbotene Richtung, sie hatte sich unter Kontrolle! Und war das nicht genau, was Heiner, seine Anwälte und Dr. Bornkessel von ihr verlangten?
    Einzeln, selten in Paaren oder Gruppen standen die Menschen im Presse-Shop des Bahnhofs, blätterten in Zeitungen und Zeitschriften. Was sie da wohl suchten? Dort lag die Juli-Ausgabe von Psychologie heute, daneben die Themenhefte: „Strategien der Lebenskunst“, „Glücksmomente – was das Leben gelingen lässt“, „Umwege – warum sie wichtig sind“ … Wie schafften es diese Frauen aufs Titelblatt? Gab es für Frauen in der Lebensmitte eine eigene Agentur? Hätte Barbara besser ein Foto von sich ans Manuskript geheftet? „Mein Gesicht, meine Trennung, mein Neuanfang! Ich habe Frühling des Herzens nicht bloß geschrieben, ich habe es gelebt!“ Warum sonst zögerte Dr. Meyer-Tyssen mit der Veröffentlichung? Über einzelne Formulierungen konnte man doch verhandeln! In gewissem Sinne auch über den Aufbau. Der Einstieg, nun ja, der war ihr nicht völlig gelungen, und der Schluss, ihr zugegeben forcierter Versuch einer Verdichtung … Nein! Ihr Manuskript war gut! Es gab da nichts zu diskutieren! Und Ihre Scheidung, dieses lächerliche Gezeter vor Gericht über ihre „Labilität“, ihre „Gefährlichkeit“ - nichts als abgekartetes Spiel zwischen überbezahlten Anwälten!
    „Meinen Sie das ernst?“
    „Entschuldigung?“
    „Was Sie eben gesagt haben?“
    Möglich, der Verkäufer hatte nicht mit ihr gesprochen. Möglich, er hatte mit „Machen Sie besser Schluss“ nicht Barbara, sondern seine Kollegin gemeint. Trotzdem, sie wollte sicher gehen:
    „Bitte wiederholen Sie es.“
    „Was soll ich –“
    „Wenn Sie nicht mich gemeint haben, sagen Sie es noch mal!“
    Zwei junge Mädchen sahen von den Pop-Zeitschriften herüber, der Verkäufer blinzelte hinter seinen blau getönten Brillengläsern. Hatte er das Missverständnis nicht in die Welt gesetzt? War es jetzt nicht seine verdammte Pflicht, es aus der Welt zu schaffen?
    „Sagen Sie es!“
    „Bitte gehen Sie von der Kasse!“
    „Sagen Sie es!!“
    „Gehen Sie –“
    Ein Knall! Flache Hand ins Gesicht des

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