Berlin Fidschitown (German Edition)
sich, jedes einzelne Gesicht genau zu mustern. Eines kam ihm bekannt vor.
Natürlich hatte er sich die meisten Fotos der Kundenkartei, die er mit Tony sichergestellt hatte, nicht eingeprägt. Aber es gab eben Visagen mit Seltenheitswert. Diese hier bestach durch ein einprägsames Pferdegebiss, kombiniert mit Spanielaugen und Hamsterbacken, wobei die Statur des Mannes eher der des Nagetiers glich. Er saß auf einem Barhocker und machte einen runden Rücken. Dem beigen Safarianzug sah Farang auch aus der Entfernung die Herkunft an. Auf jeden Fall eine Schneiderei in Bangkok. Tuchqualität und Schnitt deuteten auf einen der besseren Läden in der New Road hin. Der schwarze Kaschmirschal war wohl ein Zugeständnis an die Jahreszeit.
Farang schob sich näher an den Tresen heran und bestellte ein Pils. Nur wenig später wurde der Hocker neben dem Hamster frei, und Farang ging auf Ellenbogenkontakt.
Die braunen Augen schauten freundlich, und das Gebiss sah kerngesund und perlweiß aus. „Sie sehen aus, als kämen Sie daher, wo ich gerne und oft hinfahre.“
„Krung Thep“, bestätigte Farang.
„Die Stadt der Engel ...“ Der Mann schloss kurz die Augen. Dann gab er die verträumte Miene auf und stellte sich vor. „Heinz Haller.“
„Surasak.“ Farang drückte ihm die Hand.
„Khun Surasak ...“
„So ist es. Sie kennen sich aus.“
„Ihr Deutsch ist besser als mein Thai.“
Farang lächelte.
„Haben Sie unsere Mädchen schon gesehen?“
„Sie sind nicht zu übersehen.
„Und, wie finden Sie die Damen?“
„Bedrohlich groß und üppig.“
Heinz Haller lachte. „Tja, ich auch, muss ich zugeben.“
„Ich bin das Format nicht gewöhnt“, sagte Farang in der Hoffnung, den Kinderficker aus der Reserve zu locken.
Hallers Pupillen schrumpften. Dann verdrängte er sein Misstrauen, bleckte die Zähne und wurde vertraulich. „Ja, man hat so seine Vorlieben ...“
Einer der Barkeeper sagte: „Ham wa doch alle, Heinz. En bisschen wat Schönet, en bisschen wat Nettet.“ Er nahm das leere Champagnerglas. „Nochen Sprudelwasser?“
Haller nickte. „Und für meinen Thai-Freund noch ein Bier.“
„Schöner Laden“, sagte Farang zu dem Barmann.
Der Mann grinste selbstgefällig. „Läuft gut.“
„Könnte bei uns in Bangkok auch mithalten.“
„Na ja, bei unserem Chef.“ Der Keeper bemühte sich jetzt um eine möglichst klare Aussprache.
„Ihr Boss ist Asiate?“
„Nein, nein, der ist von hier.“
Der Keeper ging, um sich um die Getränke zu kümmern.
Heinz Haller spann den Faden weiter. „Hat aber schon ein paar Jährchen in Pattaya auf dem Buckel, der Boss.“
„Doch nicht etwa der legendäre Gustav Torn?“ Farang spielte den Überraschten und sah sich demonstrativ um. „Ich meine, bei der Größenordnung des Klubs, kann es nur einer wie er sein.“
Hallers Misstrauen kam wieder durch. „Sie kennen ihn?“
„Ich habe von ihm gehört. Stand doch oft genug bei uns in der Presse. Ich meine, die Thai-Klatschblätter.“
Haller war beruhigt. „Das stimmt.“ Er entblößte wieder sein Gebiss.
Wie polierte Klaviertasten. Farang sah weg und trank sein Glas leer, bevor der Barmann das nächste Bier brachte. „Wenn ich mich richtig erinnere, nannten ihn damals alle den Paten von Pattaya.“
Haller lachte. „Hier ist er nur der Fürst vom Stutti.“ Er prostete Farang zu und trank einen Schluck Champagner. „Ein Lude. Was man natürlich in seiner Anwesenheit besser nicht sagt. Er ist Geschäftsmann!“
„Nur ein Fürst?“
„Man nennt ihn auch den Großen Kurfürst.“
„Warum nicht König – oder Kaiser?“
„König ist man im hiesigen Milieu erst dann, wenn man anderthalb Meter unter der Erde liegt, und Kaiser wird man heutzutage in Deutschland nur noch, wenn man sehr gut Fußball spielt.“
Farang widmete sich seinem frischen Pils.
„Haben Sie den Mann am Eingang gesehen?“, fragte Haller.
„Den orientalischen Riesen?“
„Ali, sein Leibwächter. Aus Beirut und Kickboxmeister. Vor zwei Wochen versuchten sechs Albaner den Klub zu stürmen, um Schutzgeld zu erpressen. Ali schoss drei davon nieder. Eine Woche war er im Knast, dann war er wieder draußen.“
„Und Sie sind hier der Geschäftsführer, Heinz?“, neckte Farang.
Haller riss die Augen weit auf. „Um Gottes willen, ich habe damit überhaupt nichts zu tun. Gustav macht seine Geschäfte – und ich meine. Wenn er von Unternehmer zu Unternehmer einen Rat braucht, bekommt er ihn natürlich, aber sonst
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