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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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Die meisten dieser Legalen kamen als DDR-Vertragsarbeiter ins Land und leben mit einer befristeteten Aufenthaltserlaubnis als reguläre Mieter in Wohnsilos der etwas trostloseren Sorte.“
    „Plattenbauten?“
    „Wie ich sehe, haben Sie Ihre Kulturführer vor Antritt der Reise gelesen.“ Sie lachte trocken. „Und vor jedem Plattenbau steht ein Trabbi – richtig?“
    „Wenn Sie es sagen.“
    „Lassen wir den Quatsch. Zurück zur Kriminalhistorie: Nach dem Fall der Mauer geht das soziale Chaos los. Wer soll nach Hause? Wer will überhaupt? Wer kann? Wer darf , nicht zu vergessen, denn die vietnamesische Regierung hat auch so ihre Macken, lässt ihre eigenen Staatsbürger nämlich nur mit vorher erteilter Einreiseerlaubnis in die Heimat zurück. Sollten wir auch mal ausprobieren. Ich kenne Deutsche, die ich nicht wieder reinlassen würde ...“
    Das flüchtige Lächeln, das Farang streifte, hatte etwas Bitteres.
    „Gleichzeitig kommen tausende neuer Vietnamesen nach Berlin. Einige aus Hoffnung auf ein besseres Leben in unserem Schlaraffenland. Ich kenne einen, der hat sein Häuschen in Hue verkauft, um hier eine Schneiderei aufzumachen. So geht das aber nicht. Da könnte ja jeder kommen. Wir sind doch nicht in Amerika. Also hat er eine Hiesige geheiratet. Jetzt profitiert er vom Fahrrad-Boom und ist dick im Geschäft. Der Mann hat in genialer Weise alte Umwelt-Freaks, Tour-de-France-Fanatiker und den neuen Dreirad-Kult unter einen Hut gebracht und beutet den Kettentrieb in fünf Stadtteilen mit schicken Läden aus, die sich Velo-Zentren nennen – und das ganz ohne Doping. Er hat Glück, muss nicht mal Schutzgeld zahlen. Andere suchen schon damals lediglich politisches Asyl oder werden gezielt von Menschenhändlern ins Land geschleust. Unsere so traumhaft präzisen Gesetze werden von den zuständigen Stellen so unendlich kreativ ausgelegt und angewendet, bis auch die letzten Verfolgten zu Illegalen und bis dahin unbescholtene Legale kriminalisiert werden. Das alles gewürzt mit der bekannten Prise Ausländerfeindlichkeit und feinem bis krudem Rassismus.“
    „Krude?“
    „Bedeutet: grob oder roh.“ Sie zündete sich eine an und hielt ihm die Packung hin. „Ein eher altmodischer Ausdruck, wie ich zugeben muss.“
    Farang lehnte die Zigarette mit einem Lächeln ab.
    „Nur keine Angst, das sind Verzollte. Apropos Umgangsformen: Wie geht man denn mit einem wie Ihnen im hiesigen Alltag so um?“
    „Bei Arabern gehe ich als Fidschi durch.“
    „Dann sind Sie doch bestens getarnt.“ Sie inhalierte tief. „Also, da es den alteingesessenen wie den zugereisten Vietnamesen finanziell nicht besonders gut geht, werden eifrig kleine Geschäfte gemacht und Solidarität in der Familie geübt. Die Geschäftchen sind meistens Straßenhandel mit geschmuggelten Zigaretten. Die Solidarität beschert manchem unbescholtenen vietnamesischen Mieter, der nichts anderes macht, als Textilien von Markt zu Markt zu schleppen, in seinen extrem beengten Verhältnissen auch noch einen Untermieter, der sowohl illegal im Land ist als auch illegalen Geschäften nachgeht. Manchmal kann der Untermieter aufgrund echter Hilfsbereitschaft des Mieters unterschlüpfen. Manchmal öffnet ihm brutaler Druck die Tür.“
    Sie inhalierte wieder und blies den Rauch über die Fotos auf der Tischplatte.
    „Der Druck kommt von der zweiten Welle, auch als Hanoi-Gruppe oder Nordvietnamesen-Fraktion bekannt. Ehemalige Vietcong-Offiziere, die den Ho-Chi-Minh-Pfad neu auflegen. Diesmal mehrspurig und weitverästelt von Vietnam ins weite Ausland. Sie rekrutieren ihre Ameisen in armen Regionen der Heimat, Menschen, die ihrem Elend entkommen möchten und sich dafür abhängig machen. Als Zigaretten-Dealer haben die armen Schweine bereits nach wenigen Monaten ihre Vermittlungsgebühr abgestottert und machen, auch nach Abzug des üblichen Schutzgeldes, noch einen Schnitt.“
    „Woher kommen die Zigaretten?“
    „Die werden in großen Mengen ganz legal auf dem westeuropäischen Markt eingekauft, zum Beispiel in Belgien, Holland oder Portugal, bevorzugt von Großhändlern aus Polen und der Ukraine, natürlich für den Export. In Freihäfen wie Rotterdam oder Hamburg wird das Transitgut eingeladen, und irgendwo im schönen Brandenburg wird die kostbare Fracht dann bei Nacht und Nebel von den Speditionslastern auf Lieferwagen der vietnamesischen Zwischenhändler umgeladen. Die Container gehen mit harmloser Fracht weiter Richtung Polen und Russland. Zollplomben und

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