Berlin Gothic 3: Xavers Ende
inne, darauf gefasst, dass Bentheim ihn jetzt aufs Schärfste zurechtweisen würde.
„Und?“ Bentheims Stimme klang, als würde er sich Mühe geben, sie ganz ruhig zu halten.
„Die Kartons in dem Raum dahinter - deswegen wollte ich mit Ihnen sprechen.“
‚Reißt er mir jetzt den Kopf ab? Schlägt ihm gleich ein Tentakel aus dem Mund, der sich um meinen Hals legt und mich erwürgt?‘ Es kam Till so aberwitzig vor, dass er spürte, wie seine Augen kurz verschmitzt aufblitzten. Gleichzeitig war er sich aber auch sehr wohl bewusst, dass Bentheim wahrscheinlich noch nie so nah dran gewesen war, ihn aus seinem Haus zu werfen.
Zu seiner Überraschung sah Max‘ Vater jedoch nur kurz auf seine Armbanduhr. „In dem Raum lagert eine Menge altes Zeug, Till. Das hab ich mal für ein Buch gesammelt - “
„Ach ja?“, fiel Till ihm ins Wort, „was denn für ein Buch? Ich habe Fotos von einem Mann in einem Tierlabor gesehen. Und in einer Art Tagebuch schien sich der gleiche Mann Notizen über den Gesundheitszustand seiner Frau gemacht zu haben … “
„Du hast dir das ja offensichtlich ziemlich genau angeschaut!“ Bentheim riss die Augen absichtlich übertrieben weit auf.
„Es war total spannend“, stammelte Till, „was … was hat der Mann denn mit seiner Frau gemacht?“ Er schluckte - entschied sich dann aber doch, es einfach auszusprechen: „Herr Bentheim, ich weiß, es geht mich nichts an, aber … meinen Sie, dass Sie mir bei Gelegenheit mehr davon erzählen könnten?“
Wollen wir doch mal sehen, ob er wirklich ein verdammter Alien ist, dachte Till - und hätte sich nicht einmal allzusehr gewundert, wenn Bentheims Gesicht plötzlich aufgeplatzt und darunter die riesigen schwarzen Augen eines Außerirdischen zum Vorschein gekommen wären. Stattdessen aber trat Max‘ Vater nur an den Liegestuhl, auf dem Till ihn abgepasst hatte, und setzte sich.
„Wie gesagt, Till, es ist Material für ein Buch. Ich wollte einen großen Zyklus über … ich weiß nicht, ob du davon schon mal was gehört hast … ein Buch über lebende Tote, weißt du? - das wollte ich machen. Deshalb der Bezug auf Haiti, die Tierversuche, die Experimente mit dem Virus. Eine Art Sachbuch, verstehst du, in dem scheinbar bewiesen wird, dass ein Teil der Menschheit bereits infiziert ist. Dass das aber nur die wenigsten wissen. Das war natürlich das Wichtigste daran: Dass nur die wenigsten davon etwas wissen! Denn dadurch - zumindest war das mein Plan bei dem Buch - würde es erst richtig glaubwürdig erscheinen!“ Er lächelte.
Till setzte sich neben ihn auf das Fußende des Liegestuhls. Seine Gedanken sprangen hin und her, ohne dass er einen von ihnen zu fassen bekam.
„Ich wollte historische Dokumente in das Buch integrieren“, fuhr Bentheim fort, „die belegen sollten, dass es in den vierziger Jahren, in Nazi-Deutschland, Tier- und auch Menschenversuche in biologischen Labors gegeben hat. Also Dokumente, die wirkten wie echte historische Quellen, die ich mir in Wahrheit aber nur ausgedacht hatte. Und die zeigen sollten, dass der Virus, der bei diesen Experimenten entstanden ist, kurz nach dem zweiten Weltkrieg über Haiti in die USA gelangt ist. Dass also Amerika tatsächlich von Zombies heimgesucht wird - und dass die ursprünglich aus den Nazi-Labors des Berlin der vierziger Jahre stammen.“
Till hing an seinen Lippen. „Der Mann in den Tierlabors - er … er hat die Experimente durchgeführt?“ Ein Buch - raste es in seinem Kopf - nur ein Buch!
„Genau.“ Bentheim lachte. „Das war der Plan. Otto Kern hab ich den genannt. Kern bemerkt, dass seine Frau an einem unbekannten Übel erkrankt ist und reist mit ihr Ende der vierziger Jahre nach Haiti, weil er hofft, dass ihr das Klima dort gut tun würde. Dabei ist ihm natürlich klar, dass ihre Krankheit wahrscheinlich von seinen Experimenten herrührt. Die Eingeborenen auf Haiti, die die Frau sehen, glauben aber nicht, dass sie krank ist, sondern dass sie von einem bösen Zauber befallen ist. Deshalb sagen sie Nzùmbe zu ihr - und daraus hat sich dann später der Ausdruck ‚Zombie‘ entwickelt.“
„Und der Film?“, stieß Till hervor. „In den Kartons liegt doch auch ein Film.“ Max hatte ihm davon ja erzählt.
Bentheim grinste - doch diesmal zuckte Till durch den Kopf, warum er sich eigentlich nicht mehr darüber aufregte, dass Till in seinem Keller herumgeschnüffelt hatte.
„Wie gesagt, ich wollte ein Sachbuch machen, also nicht wirklich ein
Weitere Kostenlose Bücher