Berlin Gothic 3: Xavers Ende
Schrank zurück und begann, sich um die Gläser zu kümmern. „Krankenhaus ist nie schön“, sagte sie, nahm vier Gläser in eine Hand, drei in die andere, und kehrte zum Tisch zurück. Ihr Blick fiel auf Till. Er hatte den Kopf gesenkt und sah auf das Tischtuch.
„Ich hab ein bisschen herumgesucht, aber … ich habe sie nicht gefunden - die Abteilung, von der Max gesprochen hat“, hörte sie ihn sagen.
„Deswegen warst du so dreckig, oder was?“ Lisa musterte ihn.
Till nickte. „Ich bin in den Keller geraten, plötzlich ist eine Tür zugefallen … “
„Und?“
Er winkte ab. „Naja … ich bin ja wieder herausgekommen - “
„Nein, sag doch mal!“ Lisa setzte sich Till gegenüber und legte beide Arme mit den Handflächen nach oben auf den Tisch in seine Richtung.
„Ich glaube, ich habe da ein bisschen was kaputt gemacht … “, Till senkte seine Stimme zu einem Flüstern, „ … aber ich war heilfroh, als ich wieder draußen war.“
„Was hast du denn kaputt gemacht?“
„Ein … ich weiß nicht genau, was es war … so ein Gitter“, er holte Luft, „so schlimm ist es nun auch wieder nicht - ein Belüftungsgitter oder so … “
„Hast du kaputt gemacht?“
„Ich hab‘s abgetreten.“ Jetzt musste er ein wenig grinsen. „Frag mich nicht, wie ich dahinter gekommen bin … “
„Hm.“ Lisa sah ihn an. „Aber von der Abteilung, von der Max dir erzählt hat, hast du nichts gesehen?“
Till schüttelte den Kopf.
„Siehst du!“, Lisa erhob sich so ungestüm, dass der Stuhl beinahe umgefallen wäre, „Max hat sich da in was reingesteigert - ich sag’s dir. Anstatt den Dingen endlich ins Auge zu sehen, flüchtet er sich in eine Phantasiewelt. Und du hilfst ihm auch noch dabei!“
„Meinst du? Alles Quatsch, was er sagt?“
Lisa zögerte. Warum eigentlich nicht? „Es kann ja sein, dass sie da unten eine Abteilung haben, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist“, lenkte sie ein. „Aber was ist daran so besonders? Und dass Papa Max ausgerechnet in dieses Krankenhaus gebracht hat, weil er mit einem der Ärzte dort befreundet ist … das war doch genau richtig, findest du nicht?“
Sie sah, wie Till mit einer Gabel Kreise auf das Tischtuch malte.
„Was hätten meine Eltern denn sonst tun sollen“, ereiferte sie sich. „Tatenlos zusehen, wie Max verhungert? Sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht. Das ist doch logisch! Wenn sie es nicht gemacht hätten und du würdest jetzt glauben, wer weiß was für Max tun zu müssen - gut! Das könnte ich verstehen. Aber so?“
Lisa spürte, dass ihre Wangen sich gerötet und ein paar von ihren Haarsträhnen aus den Spangen gelöst hatten. Aber sie war noch nicht fertig.
„Mama hat alles versucht, Till. Kannst du dir vorstellen, wie schuldig sie sich fühlt? Natürlich denkt sie, sie hätte dafür sorgen müssen, dass es gar nicht erst soweit kommt. Aber Max hat ihr das nicht erspart. Er war schon immer ein Dickkopf.“
„Also können wir ihm nicht helfen.“ Till sah auf. Ihre Anspannung schien sich langsam auf ihn zu übertragen.
„ Doch , wir können ihm helfen! Wir können für ihn da sein, ihn auf andere Gedanken bringen, vielleicht sogar dafür sorgen, dass er selbst einsieht, was für ein Unsinn es ist, sich so gegen die Eltern zu stemmen.“
Till schob die Unterlippe vor. Lisa fühlte sich zu ihm hingezogen, sehnte sich danach, mit ihm einer Meinung zu sein. Aber sie fand, dass ihre Eltern alles richtig gemacht hatten. Natürlich hatten die Ärzte Max Medikamente gegeben. Wer weiß, ob er sonst nicht eines Nachts glattweg aus dem Fenster gesprungen wäre. Und wahrscheinlich hatte er sich wegen der Medikamente auch diese Abteilung zurechtphantasiert.
„Max war schon immer verrückt“, sagte sie. „Ich liebe ihn, aber er ist unberechenbar. Einmal hat er mich zu einer Radtour überredet? Da sind wir in ein Gelände geraten, das als Sumpfgebiet bekannt ist. Ich habe ihm gleich gesagt, dass wir nicht weiter fahren sollen, aber er hat nicht auf mich gehört. Er ist einfach immer geradeaus geradelt. Ich hätte sofort umkehren sollen, aber erst wollte ich ihn nicht allein weiter fahren lassen - und dann wusste ich auch schon nicht mehr, wie ich aus dem Sumpf wieder herauskommen sollte. Also bin ich doch lieber bei Max geblieben und immer tiefer mit ihm in dieses Gebiet hinein gefahren - anstatt endlich umzukehren. Der Boden wurde immer feuchter, der Weg, den wir verfolgten, gabelte sich, verlor sich langsam
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