Berlin-Krimi 03 - Notlandung
etwas zurückgetreten und hielt eine Bierflasche, die sie vom Tisch hinter sich gegriffen hatte, als Schlaginstrument in der Hand.
Die verbliebenen drei Männer gingen einen Schritt zurück, einer von ihnen hielt die Arme hoch und streckte Stefanie die Handflächen entgegen, er versuchte, sie zu besänftigen.
»Schon gut, Madam, unser Freund hat nur etwas zu viel getrunken, und wir sind den Alkohol nicht gewöhnt. Nichts für ungut«, sagte er auf Englisch.
»Du kannst den Scheißer loslassen, Lennard. Ich denke, hier ist alles unter Kontrolle.«
Lennard ließ den Typen los und stellte sich neben Stefanie. Sie sahen zu, wie der Grapscher versuchte, langsam aufzustehen. Er blutete stark aus der Nase und wimmerte. Er wollte sich am Boden abzustützen, aber die Fliesen waren voller Blut, und seine Hand rutschte weg.
»Schätze mal, du hast ihm die Nase gebrochen.«
»Das will ich hoffen.«
»Lassen wir es dabei bewenden?«
»Lassen wir es dabei.«
Beide verließen langsam die Bar. Beryl, die einen Moment lang ganz vergessen hatte, was ihr alles im Kopf herumging, folgte ihnen.
»Keine schlechte Show, meine Freunde.«
Stefanie drehte sich zu ihr um.
»Na ja, vielleicht auch etwas übertrieben, war nur ein besoffener Blödmann, war ein Reflex von mir.«
»Mir tut der Typ jedenfalls nicht leid. Macht ihr beide das öfter, es sah recht eingespielt aus?«
»Eigentlich nicht. Wann haben wir uns das letzte Mal gemeinsam geprügelt, Lennard?«
»Ich glaube, damals bei der Ausbildung in Israel, bei der Abschlussprüfung.«
»Stimmt, wir sollten einen wichtigen Mandanten schützen, den einer aus unserer Gruppe spielen musste. Und Lennard konnte den Typen überhaupt nicht leiden.«
»Genau, das war so ein echter Angeber, unangenehm und blöd.«
»Jedenfalls war er das Zielobjekt, die andere Gruppe musste versuchen, ihn zu entführen. Lennard hat im entscheidenden Moment mal wieder in die falsche Richtung gesehen oder vor sich hingeträumt, und so hat uns die andere Gruppe überrumpelt. Und was macht unser guter Lennard? Du wirst nicht draufkommen, Beryl. Er hat unseren Mandanten kurzerhand erschossen.«
»Ich wollte nicht, dass er ihnen lebend in die Hände fällt.«
»Und deshalb hast du auch ganz langsam fünf Mal abgedrückt, nicht?«
»Ich wollte auf Nummer sicher gehen.«
»Wir waren alle völlig perplex, selbst die andere Gruppe stand mit offenen Mündern da und vergaß die Entführungspläne. In der Bewertung durch die Ausbilder haben wir die niedrigstmögliche Punktzahl bekommen. Am Abend gab es eine Prügelei zwischen der mehrfach erschossenen Zielperson und Lennard. Lennard hat dabei keine wirklich gute Figur gemacht, ich musste ihm zu Hilfe kommen, weil kein anderer dazu bereit war. Da haben sich noch ein paar andere eingemischt, und es gab ein Riesendurcheinander. Ich glaube, die Übung ging in die Geschichte des Ausbildungsprogramms ein. Lennard hat sein Zertifikat jedenfalls nicht bekommen.«
»Und ich halte das nach wie vor für eine Fehlentscheidung. Nicht, dass mich das heute noch irgendwie nervt oder so. Es war einfach ungerecht.«
»Dimitrios, unser damaliger Boss, hat dann festgelegt, dass Lennard vorher Bescheid sagen sollte, wenn ihm einer unserer Mandanten mal gegen den Strich geht. Wir nahmen dann den Auftrag lieber gar nicht erst an.«
»Auch das war eine echte Überreaktion und lag nur daran, dass Stefanie die Geschichte einseitig und völlig übertrieben erzählt hat.«
»Du siehst, Beryl, mit Lennard an deiner Seite musst du dir keine Gedanken machen. Lebend fällst du denen nicht in die Hände – wer immer die sein sollten.«
»Warum beruhigt mich das nicht wirklich?«
15
Susanne Wagner war gelernte Buchhalterin und alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter. Nach der Geburt des Kindes blieb sie ein Jahr zu Hause und musste von Hartz IV leben. Als die Kleine alt genug für die Kita war, fing sie an, sich einen neuen Job zu suchen. Aber alleinerziehende Mütter von Kleinkindern waren nicht gerade gesucht. Nach vielen vergeblichen Bemühungen blieb nur das Angebot einer Zeitarbeitsfirma übrig. Und da war sie nun seit fast drei Jahren, der Job war nicht so schlecht, wie sie befürchtet hatte. Die Zeitarbeitsfirma hatte sich auf große und angesehene Unternehmen spezialisiert, sie war daher sehr penibel bei der Personalauswahl und zahlte 50 Cent mehr die Stunde als die anderen. Darauf war man sehr stolz. Die Bezahlung war trotzdem schlecht, aber die Tätigkeit
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