Berlin-Krimi 03 - Notlandung
gestreckt wird, können daraus leicht vier bis sechs Kilogramm werden. Man kann das Zeug auch weiterverarbeiten, indem man es mit Natron aufkocht. Dafür braucht man keine Spezialkenntnisse, und Natron gibt es in jedem Supermarkt. Nach dem Kochen mit Natron hat man Crack, also eine Variante des Kokains, die man rauchen kann. Aber um auf deine Frage zurückzukommen, Beryl, ich könnte mir vorstellen, dass der Haufen, der da vor uns liegt, im Straßenverkauf mindestens eine viertel Million bringt, vielleicht auch mehr.«
»Bringt man für eine viertel Million drei Menschen um und versucht, eine vollbesetzte Boeing zum Absturz zu bringen? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Für mich ist das keine Antwort, sondern nur ein neues Rätsel«, stellte Beryl fest.
»Ich stimme Beryl da zu.« Stefanie fand es auch nicht nachvollziehbar. »Alles in allem doch ein wenig viel Aufwand für zwei Kilo Kokain, findest du nicht, Dimitrios?«
»Da habt ihr beide wohl recht, aber vielleicht sollten wir es einfach noch mal ganz von vorne angehen. Warum hat ein junger Pilot Kokain in seinem Pilotenkoffer?«
»Gute Frage, vielleicht war er süchtig? Glaube ich zwar selbst nicht dran«, sagte Stefanie in Richtung von Marcels Mutter, »aber eine Überlegung ist es wert.«
»Das halte ich für ausgeschlossen, er war gerade durch die medizinische Untersuchung. Ihr könnt mir erzählen, was ihr wollt, vielleicht kann man vor dem Fliegerarzt etwas verheimlichen, aber bestimmt keine Kokainabhängigkeit. Jedenfalls keine, bei der man das Zeug kiloweise benötigt«, stellte Beryl entschieden fest.
»Ging es ihm ums Geld?«
»Ich bin seine Mutter, und ich bin mir sicher, dass er uns das nie angetan hätte. Außerdem, warum gerade jetzt mit dem neuen Job? Er hatte ein festes und sehr gutes Gehalt. Für unsere Verhältnisse hat er jetzt jeden Monat ein Vermögen verdient. Warum sollte er das alles aufs Spiel setzen und mit Drogen handeln?«
»Wenn wir bei dem Motiv nicht weiterkommen, dann lasst uns doch mal darüber nachdenken, wie das Zeug in seinen Koffer gekommen ist. Wo kommt es her? Beryl, erinnerst du dich, wo ihr an dem Tag hergekommen seid?«
»Klar, lass mich kurz überlegen. Wir sind von Frankfurt nach Berlin geflogen. Dort haben wir die Maschine an unsere Kollegen übergeben, haben unsere Sachen genommen und sind gegangen. Ich kann mich allerdings nicht mehr daran erinnern, ob Marcel den Koffer dabeihatte oder nicht.«
»Macht das alles Sinn?« Lennard war resigniert. »Ich meine, um zwei Kilogramm Heroin von Frankfurt nach Berlin zu bringen, gibt es einfachere und sicherere Möglichkeiten als ein Verkehrsflugzeug und einen Piloten. Ich steige einfach in ein Auto und fertig. Das so kompliziert zu machen, ist doch Schwachsinn.«
»Und vor Frankfurt?«, fragte Stefanie unbeirrt weiter.
»Lass mich überlegen. Wir haben Urlauber von Frankfurt nach Djerba in Tunesien und zurück geflogen, am Abend haben wir dann noch den Spätflug von Frankfurt gemacht.«
»Und in Djerba, ist dir da was aufgefallen?«
Beryl überlegte.
»Jetzt, wo du es sagst. Wir hatten etwas Verspätung und alle Hände voll zu tun. Marcel wollte unbedingt noch zum Duty-free-Shop, um sich ein Aftershave zu kaufen. Ich war ziemlich genervt, fand das etwas bescheuert, so kannte ich ihn gar nicht. Aber er hat sich dann wirklich beeilt, war nach fünf Minuten wieder da.«
»Habt ihr das Flugzeug in Frankfurt gewechselt?«
»Nein, in der Kabine wurden die Karten in den Sitztaschen ausgetauscht, und aus dem Ferienflieger Filomena Holiday wurde wieder der Liniencarrier Filomena Airways, der Kaffee war wieder umsonst, und das war der einzige Unterschied. Das Flugzeug und die Besatzung blieben dieselben.«
»Mal ’ne blöde Frage: Müsst ihr eigentlich durch den Zoll?«
»Klar, genauso wie alle anderen auch. Obwohl wir nicht besonders scharf kontrolliert werden. Ich bin in den zehn Jahren, in denen ich fliege, weniger als zwei Dutzend Mal kontrolliert worden, vermute ich.«
»Und wenn du zum Beispiel von Frankfurt nach München fliegst, dann musst du auch durch den Zoll?«
»Dann natürlich nicht, wie alle anderen auch nicht. Wenn ich von Frankfurt nach München fliege, ist das ein Inlandsflug. Ich nehme meine Sachen und gehe einfach durch den Ausgang raus.«
»Nur noch mal zur Sicherheit, dass ich alles richtig verstanden habe«, fragte Stefanie, »als ihr an dem Abend das Flugzeug in Berlin verlassen habt, da wusste keiner, dass ihr vorher in Djerba
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