Berlin Wolfsburg (German Edition)
Flachbildfernseher
thronte, fesselte für einen Moment Johannas Aufmerksamkeit. Ein ähnliches
Modell hatte in Oma Käthes Küche gestanden. Johanna erinnerte sich gut an den
satten Klang und daran, dass sie als Kind immer ungeduldig gewartet hatte, bis
die alte Kiste warmgelaufen war und endlich Musik erklang. Geduld war noch nie
ihre herausragende Stärke gewesen.
»Wissen Sie, die beiden waren sehr glücklich«, unterbrach Karina
Johannas Erinnerungen und sah auf ihre Hände. »Niemand versteht, was da
passiert ist, warum sie …« Sie schüttelte den Kopf und blickte wieder auf.
»Bislang ist die Polizei von Selbstmord ausgegangen. Hat sich daran etwas
geändert?« Ihr Blick war plötzlich hellwach. »Sonst wären Sie ja kaum hier,
nicht wahr?«
»An der Suizid-Annahme hat sich nichts geändert, das heißt, es
liegen keine neuen Erkenntnisse vor«, erklärte Johanna. »Allerdings gab es in
letzter Zeit auffällig viele Unglücksfälle beziehungsweise Suizide unter
Polizeibeamten, und das BKA will das Ganze noch
einmal überprüfen.«
Karina nickte nachdenklich. »Ja, ich erinnere mich, dass Ulrike
einen Polizisten von der Wolfsburger Kripo erwähnt hat, der Ende Juli eine
Überdosis Drogen genommen hatte. Das hat sie ziemlich beschäftigt.«
»Kannte sie den Beamten näher?«
»Näher? Nein, das wohl nicht. Sie kannte zwar seinen Namen, aber das
ist wohl nicht ungewöhnlich. Die Sache hatte sich an dem Abend auch bei der
Braunschweiger Polizei herumgesprochen«, entgegnete Karina. »Jedenfalls wirkte
sie aufgewühlt, auch Tage später, aber Einzelheiten hat sie nicht erzählt.
Ulrike sprach kaum über ihre Arbeit, darf sie ja gar nicht … ich meine, durfte
sie nicht.« Karina biss sich auf die Unterlippe. »Das fand ich immer schade –
ich hätte häufig gern mehr erfahren. Wissen Sie, ich arbeite als Kauffrau bei VW , das ist zwar ein schöner und gut bezahlter, aber
nicht gerade ein spannungsgeladener Job.«
Auf die eine oder andere Spannung könnte ich ganz gut verzichten,
dachte Johanna, und öder Alltagskram ist auch Bestandteil der Polizeiarbeit,
schluckte die Bemerkung aber hinunter. Sie musterte die junge Frau, die trotz
ihrer Betroffenheit erfreulich wenig Scheu hatte, einer Kommissarin Rede und
Antwort zu stehen. Im Gegenteil, sie schien froh zu sein, über Ulrike reden zu
können. Der Verlust machte ihr schwer zu schaffen, und wenn Johanna nicht alles
täuschte, stand ihr der schlimmste Teil der Trauerarbeit noch bevor. »Sie
hatten ein enges Verhältnis zu ihrer Schwester?«
»Ja, und ob!« Ein Lächeln blitzte auf. »Wir konnten immer über alles
quatschen – Stress im Job, Liebeskummer, Musik, Filme. Wir waren eher wie
Freundinnen.« Sie schluckte und wischte sich mit der Hand über den Mund.
Johanna nickte. »Ihre Schwester war sehr ehrgeizig …«
»Das stimmt – sie wollte hoch hinaus, und sie hatte das Zeug dazu«,
erwiderte Karina sofort.
»Können Sie sich daran erinnern, wie genau sie sich zum Drogentod
des Kollegen geäußert hat?«
Karina lehnte sich im Stuhl zurück. »Wie gesagt, sie war geschockt,
und sie meinte, dass der Günther so einen Scheiß niemals nehmen würde.«
»Das klingt für mich, als hätte sie ihn doch näher gekannt«, wandte
Johanna ein.
»Ja?«
»Nun, sie nennt ihn beim Vornamen, und sie meint einschätzen zu
können, dass Günther keine Drogen nehmen würde. Weiß man so etwas, obwohl man
noch nicht mal zusammen gearbeitet hat?«
Karina runzelte die Stirn und überlegte kurz. »Es klang, als hätte
sie sich mit anderen Kollegen über den Beamten unterhalten und weitergegeben,
was dort erzählt wurde.«
»Ja, möglich«, gab Johanna grübelnd zu und stützte ihr Kinn auf die
Hand. Andererseits: Nennt man jemanden beim Vornamen, den man nicht persönlich
kennt? »Wissen Sie, ob Ulrike versucht hat, Kontakt aufzunehmen – zu Günthers
Familie oder zu Freunden?«
Karina sah sie verblüfft an. »Nein, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass
sie wegen der Sache ziemlich durcheinander war.«
»Sind Sie eigentlich im Rahmen der Ermittlungen zu Ulrikes Tod von
der Wolfsburger Polizei befragt worden?«
»Ja, natürlich. Ein Beamter wollte von mir wissen, wie es ihr in
letzter Zeit ging, wann ich sie gesehen hatte, wie ihre Beziehung zu Daniel
war, ob es Stress in der Familie gegeben hätte und so weiter.«
»Haben Sie in diesem Zusammenhang erwähnt, wie Ihre Schwester auf
den Fall Ansdorf reagiert hat?«
»Ja, zumindest in einem Nebensatz. Der Kommissar
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