Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Wolfsburg (German Edition)

Berlin Wolfsburg (German Edition)

Titel: Berlin Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
Vom Netzwerk:
logistisch denkbar ungünstig.
    Johanna bezweifelte zwar, an einem normalen Wochentag morgens
jemanden zu Hause zu erreichen, dennoch wählte sie die angegebene
Festnetznummer von Ulrike Huhlmann und ihrem Freund Daniel Beuten. Nach dem
zweiten Klingeln meldete sich eine zarte Frauenstimme. »Ja bitte?«
    »Mein Name ist Johanna Krass. Könnte ich Daniel Beuten sprechen?«
    »Tut mir leid, er ist unterwegs. Worum geht es denn?«
    »Um den Tod seiner Lebensgefährtin.«
    Schweigen. »Was haben Sie damit zu tun?«, fragte die Frau
schließlich, wobei ihre Stimme nun deutlich kräftiger klang.
    »Ich bin Beamtin des Bundeskriminalamtes und untersuche unter
anderem den Suizid von Frau Huhlmann. Darf ich meinerseits fragen, mit wem ich
spreche?«
    »Ich bin Karina Huhlmann, Ulrikes Schwester.«
    Zu Johannas Erstaunen war Karina sofort zu einem persönlichen
Gespräch bereit, und wenige Minuten später machte die Kommissarin sich auf den
Weg. Sie fuhr durch die Innenstadt in südwestlicher Richtung stadtauswärts und
legte direkt nach der Detmeroder Abfahrt einen Zwischenstopp ein, um die
Fußgängerbrücke über der Braunschweiger Straße genauer in Augenschein zu
nehmen.
    Die Brücke war schmal und schwang sich in sanftem Bogen über die
Straße. Johanna ging bis zur Mitte und warf einen Blick hinunter. Solange man
sich nicht mit dem Gedanken befasste, dass vor gut zwei Wochen eine junge Frau
an dieser Stelle in den Tod gesprungen war, bot die Aussicht wenig Aufregendes.
Sonderlich hoch war das Geländer nicht. Es gehörte also keinesfalls besonderes
Geschick oder Sportlichkeit dazu, über die Brüstung zu klettern. Johanna
fröstelte. War es rein theoretisch denkbar, dass die Polizistin während ihres
abendlichen Spazierganges verfolgt und überrascht worden war? Jemand könnte sie
von hinten gepackt und über das Geländer gestoßen oder gezerrt haben. Wenn der
Angreifer sich anschließend zusammengekauert hätte, wäre er von unten nicht zu
sehen gewesen.
    Beide Seiten der Braunschweiger Straße waren dicht bewaldet – wer im
Schutz der Bäume und Büsche in Richtung Brücke schlich, hatte gute Chancen,
nicht bemerkt zu werden, sowohl nach als auch vor der Tat und erst recht im
Dunkeln. Derart übertölpelt hätte Ulrike Huhlmann sich kaum gewehrt, und selbst
wenn: Sie war von einem Wagen überfahren und dabei so massiv verletzt worden,
dass man Abschürfungen oder blaue Flecken aufgrund von Abwehrhandlungen
garantiert nicht mehr hatte zuordnen können – ein Aspekt, der ihr bereits im
Zusammenhang mit Bernd Lange durch den Kopf gegangen war und der bei allen
Opfern eine Rolle spielen könnte.
    Doch selbst wenn dieses Szenario denkbar war – warum? Und was
bedeutete das für die anderen Fälle? Unter Umständen gar nichts, weil es keinen
Zusammenhang gab. Johanna rieb sich die Schläfen und ging langsam weiter. Ein
Wohnheim der Lebenshilfe befand sich direkt am Waldrand an der Ollenhauer
Straße. Die Polizei hatte noch in der Nacht des Unglücks Personal und Bewohner
des Heims befragt – wie sollte es anders sein: ohne Ergebnis.
    Ulrike Huhlmann hatte am Kurt-Schumacher-Ring gewohnt, wenige
Gehminuten von der Brücke entfernt. Johanna beschloss, ihren Wagen
zurückzulassen und einen Spaziergang zu machen.
    Nach dem Foto zu urteilen, das Johanna in der Huhlmann-Akte
vorgefunden hatte, gab es kaum äußerliche Ähnlichkeiten zwischen Karina und
ihrer vier Jahre älteren Schwester. Die sechsunddreißigjährige Ulrike war
dunkelblond und mittelgroß gewesen und hatte einen kraftvollen Eindruck
gemacht. Karina hingegen war schwarzhaarig, zierlich und kaum größer als eine
Zwölfjährige. Die junge Frau war bleich und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
Sie bat die Kommissarin ins Wohnzimmer, bot ihr einen Tee an, den Johanna
höflich, aber bestimmt ablehnte – sie trank Tee nur, wenn sie krank war –, und
erläuterte ohne Aufforderung, dass Daniel Beuten sie gebeten hatte, ihm beim
Aussortieren von Ulrikes Kleidung und ihrem persönlichen Kram behilflich zu
sein.
    »Er erträgt es kaum, ihre Sachen herauszulegen«, erklärte Karina,
während sie in der Essecke im Wohnzimmer Platz nahmen. »Es ist alles noch so
frisch …«
    Der Raum war groß und lichtdurchflutet. Großformatige
Schwarz-Weiß-Fotos von der Berliner Brücke, dem Allersee und der Porschestraße,
wie sie vor circa dreißig Jahren ausgesehen haben dürfte, schmückten eine Wand.
Ein altes Röhrenradio, das auf einem Stahlregal über einem

Weitere Kostenlose Bücher