Berlin Wolfsburg (German Edition)
hat mich
erkannt – wie gesagt: angeblich.«
»Ist das theoretisch möglich?«
»Na ja …«
»Was nun – ja oder nein?«
»Theoretisch schon …«
»Okay – halt dich im Hintergrund. Keine Aktionen. Hast du mit Stefan
gesprochen?«
»Den konnte ich vorhin nicht erreichen, deswegen dachte ich –«
»Ja, schon gut. Spar dir weitere Anrufe. Mit Stefan rede ich selbst,
verstanden?«
»Klar. Und was ist mit dieser Staatsanwältin in Braunschweig? Soll
ich …«
»Nein. Wie ich schon sagte: Halt dich im Hintergrund, bis du etwas
anderes von mir oder Stefan hörst.«
Volker Dorn legte auf. Holger stierte einen Moment vor sich hin. Das
Auftauchen der Bullen hatte ihn irritiert, obwohl er nicht annahm, dass viel
dahintersteckte. Doch die erzwungene Zurückhaltung passte ihm gar nicht. Sie
hatten noch so viel vor, und nachdem monatelang sämtliche geplanten Aktionen
reibungslos über die Bühne gegangen waren, knirschte plötzlich Sand im
Getriebe. Ihre Partner auf Polizeiseite waren tot, und solange niemand wusste,
wer warum dafür verantwortlich war, herrschte erhöhte Alarmbereitschaft.
Holger vermutete, dass die Gegenseite zum Angriff übergegangen war,
und er vermutete darüber hinaus, dass Stefan und Volker Ähnliches annahmen. Das
aber würde bedeuten, dass man ihnen auf die Schliche gekommen war.
7
Der Leiter des Staatsschutzkommissariats war ein
distinguierter Herr Ende fünfzig mit grauen Schläfen, gepflegten Händen und
sanften Augen, der ohne Weiteres auch als Pastor durchgegangen wäre oder als
Theaterschauspieler, der stets für die Rolle des väterlichen Freundes gebucht
wurde – jedenfalls nach Johannas erstem Eindruck. Wahrscheinlich war er im
Ermittleralltag ein beinharter Vorgesetzter.
Michael Leisner lauschte hoch konzentriert ihrer zusammenfassenden
Darstellung, die sie als inoffiziellen Bericht überschrieb, bei dem eine
detaillierte Beweislage noch fehle, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen.
Als sie ihn schließlich nach einer Zunahme von Gewalttaten speziell gegen
muslimische Mitbürger fragte, zog er eine nachdenkliche Miene.
»Das ist sehr schwer zu beziffern. Zum einen richtet sich unser
Hauptaugenmerk nach regelmäßigen Terrorwarnungen und weltweiten Anschlägen eher
in die umgekehrte Richtung«, entgegnete er bedächtig. »Das ist keine Wertung
und dürfte Sie in Kenntnis der weltpolitischen Lage kaum verwundern. Aber es
kommt noch etwas anderes hinzu.« Er sah Johanna direkt an. »Eine entsprechende
Statistik oder Zuordnung zu rassistisch oder politisch motivierten Straftaten
greift selbstverständlich nicht, wenn die entsprechenden Taten und anhängige
Verfahren allgemein als Gewaltverbrechen erfasst und noch dazu zügig wieder
eingestellt werden.«
Das hatte Johanna befürchtet. Wer immer da am Werk war, legte großen
Wert auf unauffälliges Agieren. Dazu passte Karim Celiks Beschreibung, dass die
Täter kaum ein Wort gesagt hätten, ihm aber ein ungeheurer Hass
entgegengeschlagen wäre. Dazu passte auch Huhlmanns Beschwichtigung im Falle
des Braunschweiger Architekten Ben Samet, dass kein religiöser Zusammenhang
erkennbar gewesen wäre. Und die Vergewaltigungen waren statistisch unter
Straftaten gegen Frauen erfasst worden und nicht als Angriff gegen muslimische
Frauen.
»Wir werden uns in jedem Fall genauer umhören und zurückliegende
Verfahren auch unter diesem Aspekt betrachten, Kommissarin Krass«, versicherte
Michael Leisner abschließend. »Ich bedanke mich für Ihre Erörterungen und
hoffe, dass wir in Verbindung bleiben.« Er stand auf. »Kann ich sonst noch
etwas für Sie tun?«
Johanna verneinte und verabschiedete sich artig. Sie war sicher,
dass sie den Mann aufgescheucht hatte. Wolfsburg war bislang nicht als Stadt
mit betont antimuslimischen Tendenzen aufgefallen, und sollte die Gefahr
bestehen, dass sich daran etwas zu ändern begann oder längst begonnen hatte,
würde er tatkräftig einzuschreiten wissen.
Die Kommissarin war auf dem Weg in Marenis Büro, als Tony auf dem
Handy anrief. »Ich glaub, ich hab grad was Interessantes entdeckt«, erklärte sie
abgehackt und von deutlichen Kau- und Knistergeräuschen begleitet. »Als stiller
Teilhaber in Stefan Muths Videoladenkette fungiert ein gewisser Volker Dorn. Es
ist anzunehmen, dass er Kapital zur Verfügung gestellt hat. Der Mann ist
achtundfünfzig und eine große Nummer in der Videothekenbranche im Ruhrpott.
Aber das ist nicht alles.« Tony legte eine Kunstpause ein.
»Ja?«, drängte
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