Berlin Wolfsburg (German Edition)
Johanna.
»Er hat vor einigen Jahren eine Bürgerinitiative gegründet – gegen
den Bau einer Moschee. Die Gruppe ist mit ihrem Antrag knapp gescheitert. Dorn
hat sich in der Folge noch bei einigen anderen Anträgen dieser Art verdammt
starkgemacht und ist mit markanten Sprüchen aufgefallen, um dann sehr plötzlich
wieder aus der Szene zu verschwinden und sich auf seine geschäftlichen
Interessen zu konzentrieren.«
»Aha.«
»Genau. Mach dir deinen eigenen Reim darauf. Dann ist mir ein
hübsches Foto beim Stöbern im Internet in die Hände gefallen, das ich dir
bereits gemailt habe«, fuhr Tony fort und schluckte lautstark. Johanna tippte,
dass die Kollegin sich gerade einen Döner gönnte – mit doppelt Knoblauchsoße
und Zwiebeln –, nach dessen Genuss sich in der Regel stundenlang kaum jemand in
ihr Büro wagte. Die Vermutung, dass Tony aus genau diesem Grund Stammkundin
beim Dönerladen um die Ecke war, hatte durchaus ihre Berechtigung.
»Stefan Muth bei seiner Ladeneröffnung in Braunschweig – und ein
wenig im Hintergrund, aber doch gut zu erkennen, steht ein feixender Holger
Bihl. Seiner Aufmachung nach zu urteilen, hat er bei der Renovierung des
Geschäfts mit angepackt.«
»Der Mann ist gelernter Maurer«, überlegte Johanna.
»Das passt ja. Die beiden kennen sich also. Andere Kontakte prüfe
ich noch. Samthof hat übrigens deinen Bericht bereits gelesen, ich hab dann
meine neuesten Infos gleich noch draufgepackt. Wenn ich es richtig einschätze,
will er Langes und Rauths Ermittlungen in den letzten zwei Jahren noch mal
gründlich durchleuchten lassen und überhaupt ein bisschen Gas geben.«
»Gute Idee.«
»Ja, finde ich auch. Okay, bis später.«
Johanna steckte das Handy ein und blieb einen Augenblick vor Marenis
Bürotür stehen, um sich zu sammeln. Es wurde Zeit, den jungen Kommissar auf den
gleichen Informationsstand zu bringen. Wie es aussah, würden sie noch eine
ganze Weile gemeinsam zu tun haben. Sie klopfte und trat ein.
Mareni war ein guter Zuhörer. Er enthielt sich jeglichen Kommentars,
sodass Johanna innerhalb kürzester Zeit Bericht über Tonys Recherchen und
Annegret Kuhls Nachforschungen erstatten und ihre Schlussfolgerungen gleich
anschließen konnte. Währenddessen servierte er ihr einen verlockend duftenden
Espresso sowie einen Teller mit Gebäck und nahm sich die Zeit, seine Locken zu
richten.
»Und was soll das Ganze?«, fragte er, nachdem Johanna bereits eine
ganze Weile nichts mehr gesagt hatte. »Eine Gruppe von Muslimhassern fällt über
völlig harmlose Mitbürger her, die ein ganz normales Leben als Architekt,
Übersetzer, Lehrerin oder was auch immer in Wolfsburg, Braunschweig, Peine,
Berlin oder sonst wo in Deutschland führen, demütigt, foltert, quält, ja, tötet
sie sogar, während einzelne, wahrscheinlich großzügig geschmierte Polizisten
ein Auge zudrücken, oder zwei, oder sogar aktiv Ermittlungen behindern … Mein
Gott, warum?«
»Um Hass und Angst zu verbreiten, vielleicht Rache zu üben, und zwar
in verdeckter Form, damit die Behörden nicht aufmerksam werden und massiver
einschreiten – zum Beispiel durch den Staatsschutz«, erwiderte Johanna prompt.
»Sie wählen jemanden aus, etwa einen jungen Mann wie Karim, beobachten ihn ein
paar Tage, um seine Gewohnheiten zu studieren, schleichen sich heran, sobald
die Situation günstig scheint und ein bestochener Polizist ihnen den Rücken
freihält, schlagen zu und machen sich wieder davon. Lautlos und ohne
Erklärung«, erwiderte Johanna. »Können Sie sich vorstellen, dass Karim Celik in
absehbarer Zeit einen entspannten Abendspaziergang unternimmt?«
»Nein, aber …«
»Sie haben den Mann stundenlang gefoltert«, betonte Johanna
energisch. »Folter wird angewandt, um Menschen zu brechen.«
Mareni schluckte. »Ich verstehe schon, nur: Welches Motiv treibt die
Leute darüber hinaus an? Welches Ziel verfolgen sie? Immerhin bereiten sie ihre
Aktionen ausgesprochen gut vor, stimmen sie sehr wahrscheinlich mit dem
Dienstplan des zuständigen Beamten ab, dessen Unterstützung sie sich erkauft
haben, und der ganze Aufwand wird lediglich betrieben, um die Leute zu
erschrecken, zu verunsichern, in die Ecke zu treiben oder der Gewaltlust zu
frönen?« Mareni zog ein skeptisches Gesicht. »Ich weiß nicht …«
»Vielleicht haben sie sich der Idee verschrieben, Muslime
langfristig und mit ebenso verdeckten wie gezielten Aktionen zu vertreiben«,
überlegte Johanna. »In Berlin ist die Frau eines
Weitere Kostenlose Bücher