Berlin Wolfsburg (German Edition)
der finanziellen Verhältnisse, obwohl noch nicht im Detail
geprüft, ließ sich festhalten, dass alle Beamten mehr Geld zur Verfügung gehabt
hatten, als bei einem normalen Polizisten-Gehalt üblich war – auch Karina
Huhlmann hatte inzwischen in einer zweiten Befragung, wenn auch etwas
zögerlich, bestätigt, dass ihre Schwester erstaunlich gut verdient habe.
Es würde einiges an Zeit, Mühe und Überstunden kosten, die einzelnen
Straftaten wieder aufzurollen, doch die angekündigte Verstärkung aus Hannover
war bereits vor Ort, und es herrschte ein emsiges und bislang noch
einvernehmliches Treiben der involvierten Dienststellen. Früher oder später, so
Johannas bisherige Erfahrung bei vergleichbaren Ermittlungen, würde eine
Behörde die Fälle komplett für sich beanspruchen, und sie ging davon aus, dass
die obersten Verfassungsschützer bereits Aufstellung in den Startlöchern
genommen hatten und die nötigen Vorbereitungen trafen. Das Argument, dass die
Arbeit auf die Art deutlich besser zu koordinieren sei, war natürlich nicht von
der Hand zu weisen, doch Johanna hätte gern mal nachgefragt, warum die
Straftaten über so viele Jahre in keiner Statistik Beachtung gefunden und
keinen einzigen Staatsschützer beunruhigt hatten. Dabei kannte sie die Antwort
längst: Der Fokus war auf die andere Seite des Extremismus gerichtet.
Sie war gespannt, wann sie von den Fällen abberufen würde.
Spekulationen darüber waren müßig. Manchmal ging das sehr schnell. Solange sie
keine andere Anweisung erhielt, würde sie einfach weiter ihren Job machen.
Katryna Nowak meldete sich über Handy, als Luca Mareni gerade
eingetreten war und erwähnt hatte, dass es über die Observierung von Holger
Bihl bislang nichts Auffälliges zu berichten gab.
»Ich habe eben mit der letzten Freundin von Bernd Lange gesprochen,
einer gewissen Tanja Bäumler«, hob Nowak an. »Zum ersten Mal übrigens, weil die
Frau seinerzeit nicht in Berlin war und später bei einem Kollegen eine
belanglose Aussage machte. Das hatte ich erwähnt, oder?«
»Hatten Sie.«
»Sie hat bestätigt, dass Lange immer gut bei Kasse war und sich
regelmäßig Filme auslieh, in einem der beiden Berliner Videoläden von Muth.«
»Das ist ja offensichtlich ein durchgehendes Muster.«
»Unbedingt. Die Beziehung stand übrigens schon eine ganze Weile auf
der Kippe«, fuhr Nowak fort. »Ich hab diesbezüglich ein bisschen nachgebohrt.
Bäumler ist allein in den Urlaub gefahren, um Abstand zu gewinnen. Sie meint,
dass Lange sich in letzter Zeit verändert hätte – zum Nachteil, wie sie betont.
Er wäre unsensibel und ruppig geworden und hätte sich scheußliche Gewaltfilme
angesehen, was früher gar nicht seine Art war.«
»Wusste sie etwas von der internen Untersuchung nach dem
Scheidner-Vergewaltigungsfall? Hat er ihr gegenüber mal was erwähnt?«
»Nein. Lange hat den Vorfall mit keiner Silbe erwähnt. Verständlich,
wie ich finde.«
Ja, finde ich auch, dachte Johanna und machte sich eine Notiz. »Habt
ihr schon was zu den aktuellen Aktivitäten von Muth vorliegen?«
»Und ob. Der junge Mann ist, wie ich gerade erfahren habe, unbemerkt
ins Wochenende entschwunden«, antwortete Nowak in beißendem Ton.
»Wie bitte? Er hat sich aus dem Staub gemacht?«
»So kann man das nicht sagen. Er wollte früher ins Wochenende –
keine Ahnung, wohin –, sagte mir eine freundliche Angestellte, als ich in
seinem Laden anrief. Ich hab mich natürlich als Kundin ausgegeben.«
»Die Observierung hat also nicht gegriffen?«
»Sie kam schlicht zu spät, und so können wir nicht mal sagen, ob er
sich bewusst davongemacht hat oder aber tatsächlich irgendwo im Umland das
Sommerwetter genießt.«
Scheiße, dachte Johanna. »Na ja, für Zufall halte ich diesen Ausflug
nicht, aber da lässt sich im Moment nichts machen. Und was ist mit Volker
Dorn?«
»Mein Duisburger Kollege hat sich bisher nicht gemeldet, aber eure
interne Recherchefrau hat inzwischen nachgefasst und ist ein paar Jahrzehnte
zurückgegangen, um festzustellen, dass der Mann in den siebziger Jahren eine
ganze Weile in Berlin gelebt hat«, berichtete Nowak. »Damals sind die jungen
Männer noch nach Westberlin abgehauen, um nicht eingezogen zu werden. Hat ein
bisschen studiert, Politik und Wirtschaft, und sich in einigen obskuren
politischen Randgruppen rumgetrieben, wie später in Duisburg auch.«
»Ach? Interessant. Allerdings kann damals wohl kaum der Kontakt zu
Stefan Muth entstanden sein.«
Katryna
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