Berlin Wolfsburg (German Edition)
genau?«
»Rauth hat sich erschossen, aber Ansdorf war der zweite Beamte nach
Lange, der ein Opfer von Badesalz wurde, und ich gehe davon aus, dass der
Gruppe die Todesumstände bekannt waren – wenn nicht sofort, dann aber doch
zeitnah«, erwiderte Johanna prompt. Ihre Kopfschmerzen begannen sich
abzuschwächen, was sie dem lebhaften und intensiven Austausch mit der
Staatsanwältin zuschrieb. Oder ihrer robusten Natur.
»Das konnte für Muth und Co kein Zufall sein und auch kein echter
Suizid. Ab Ende Juli blieben also viele Wochen Zeit, alles an Spuren und
Hinweisen zu beseitigen, was auch nur ansatzweise verdächtig wirken konnte. Wie
meine Berliner Kollegin vom LKA herausgefunden
hat, war Stefan Muth persönlich unterwegs, um in Rauths Zimmer nach
ausgeliehenen Filmen zu suchen. Sein Auftreten wirkte bedrohlich auf die Witwe
Rauth. Und auch bei den anderen Polizisten wurde Wert auf die baldige Rückgabe
der DVD s gelegt.«
»Was hat es damit Ihrer Meinung nach auf sich?«, fragte Kuhl. »Geht
es nur darum, die Verbindung zu kappen?«
»Tja, gute Frage. Es wird von mehreren Seiten berichtet, dass
einzelne Beamte plötzlich eine Vorliebe für Gewaltfilme gehabt hätten. Ich
denke, da steckt noch mehr dahinter.«
»Vielleicht sind die Titel willkürlich, und sie kommunizieren nur
über die Ausleihe«, schlug Kuhl vor. »Mittels eines versteckten USB -Sticks oder was auch immer.«
»Interessanter Aspekt. Oder/und die Filme sind etwas Besonderes …
besonders brutal.«
»Denken Sie in die Richtung von Hetzvideos?«
»So was taucht im Internet immer wieder auf«, bekräftigte Johanna.
»Wenn sich diesbezüglich weitere Verdachtsmomente ergeben, gäbe es einen guten
Hebel für eine Durchsuchung.«
»Gäbe«, seufzte Annegret Kuhl. »Die Sache mit dem Konjunktiv …«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
»Worauf sollten wir neben dem Aufarbeiten alter Fälle in den
nächsten Stunden Ihrer Ansicht nach besonders achten?«, fragte die
Staatsanwältin weiter.
»Stefan Muth ist durch die Observation gerutscht – ob beabsichtigt
oder zufällig lässt sich nicht eindeutig sagen«, berichtete Johanna.
»Jedenfalls ist er verschwunden. Natürlich würde mich interessieren, wo er sich
aufhält, mit wem er sich trifft – vielleicht mit Dorn? Ich werde Samthof ans
Herz legen, Dorn beschatten zu lassen, auch wenn wir bislang nichts gegen ihn
in der Hand haben.«
»Solange eine kriminelle Verbindung zwischen Muth und Dorn wenig
mehr als Spekulation ist … Aber ich werde Muth auf die Fahndungsliste setzen
lassen – falls das BKA das noch nicht getan hat.
Und die Videotheken sollten auch hier in Braunschweig observiert werden,
solange wir nicht wissen, wo er sich aufhält. Das Bedrängen der Witwe Rauth
kann man durchaus als starkes Indiz werten. Ich überprüfe das gleich noch«, entschied
Kuhl nach kurzer Pause. »Haben Sie auch mal darüber nachgedacht, ob Muth und Co
für die Morde in Frage kommen könnten?«, fuhr sie dann fort.
Johanna lehnte sich zurück und wechselte mit dem Hörer von einem Ohr
ans andere. »Ehrlich gesagt: nicht länger als zwei Sekunden. Warum sollten Sie
das tun?«
»Vielleicht haben die Polizisten ihre Aufträge erledigt, vielleicht
haben sie sich geweigert weiterzumachen …«
»Alle fünf – beziehungsweise vier? Unwahrscheinlich.«
»Vielleicht nur zwei von ihnen, aber es schien sinnvoll, alle
auszutauschen, weil sie untereinander Kontakt pflegten«, spann Kuhl den Faden
weiter.
»Das ist doch viel zu auffällig«, wandte Johanna ein. »Ein riskantes
Unternehmen, das viel zu viel Wind aufwirbelt.«
»Der sich vielleicht bald wieder legt, wenn wir keine starken
Anhaltspunkte finden, die uns in die richtige Richtung führen«, wandte die
Staatsanwältin ein. »Und bis die alten Fälle alle aufgearbeitet sind, vergehen
… Monate, oder sogar Jahre?«
»Optimismus ist nicht Ihr zweiter Vorname, oder?«
»Kommt ganz darauf an, aber gut – lassen Sie uns weiter überlegen.
Wer könnte noch dahinterstecken? Wer hat ein so starkes Motiv, dass fünf
korrupte Polizisten dran glauben müssen? Ich zähle Rauth weiterhin dazu, weil
er einem Mord unter Umständen lediglich zuvorgekommen ist. Da bleibt nur noch
Rache.«
»Die islamistische Szene? Das würde bedeuten, dass die Täter einen
fundierten Einblick gewonnen hätten und über die Vorgehensweise und die
einzelnen Verbrechen der antimuslimischen Gruppe sehr genau Bescheid wissen«,
gab Johanna zu bedenken.
»Vielleicht haben die
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